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Die „White Power“-Bewegung in den USA

Einleitung

Die  „White  Power“-Bewegung1 in den USA ist nicht ohne den Vietnam-Krieg zu verstehen. Nach den Kampfhandlungen durch Bodentruppen der USA von 1965 bis 1973 waren die Soldaten nicht als Sieger, sondern als Verlierer in die USA zurückgekehrt. Während sich viele anschließend der Friedensbewegung anschlossen, gingen andere den genau entgegengesetzten Weg: Der Krieg sei ihrer Ansicht nach nicht radikal genug geführt worden. Schuld daran: eine korrupte Regierung, welche die Soldaten nicht ausreichend im Krieg unterstützt habe. Für die „White Power“-AktivistInnen, die aus dem Krieg zurückkamen, war der Krieg daher nicht vorbei - er fing gerade erst an.

  • 1Als „White Power“-Bewegung werden hier alle Bewegungen der USA subsumiert, die für eine Vorherrschaft und Überlegenheit der weißen „Rasse“ eintreten. Im Detail unterscheiden sich die Strömungen (KKK, rechte Milizen, Neonazis, Selbstverwalter etc.) beträchtlich, aber Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Antikommunismus, Ablehnung von Demokratie und Befürwortung von Gewalt ist, trotz ideologischer Differenzen, das einigende Band.
Bild: Faksimile boingboing.net

1927 wurde der Vater des Ex-Präsidenten der USA, Frederick Trump, bei einer KKK-Kundgebung in Queens verhaftet.

Statt Kommunisten im Ausland sollten nun Kommunisten und Verräter in den USA bekämpft werden. Zahlreiche „White Power“-Aktivisten waren Veteranen des Vietnamkriegs  und prägten und formten dadurch die neu entstehende Bewegung. Der Vietnamkrieg war ein so starkes Symbol, dass einige Aktivisten behaupteten, in Vietnam gekämpft zu haben, obwohl das tatsächlich nicht der Fall war. Der Krieg lieferte so das „Framing“ für das Selbstverständnis der „White Power“-Bewegung. Die Verwendung von Uniformen, militärischen Wörtern, Strategien, Trainingsmethoden und Militärwaffen basierten alle auf der Erfahrung von Vietnam.

KKK

Der „Ku-Klux-Klan“ (KKK) kann als die älteste Terrororganisation in den USA gelten. 1865 von sechs ehemaligen Offizieren der Südstaaten-Armee gegründet, verbreitete er sich schnell in den Südstaaten der USA und verübte Pogrome und Lynchmorde aus rassistischen Motiven. Während der erste Klan bereits in den 1870ern bedeutungslos wurde, da  seine Ziele im Süden fast vollständig umgesetzt wurden, entstand er nach 1915 neu.

Der Film „The Birth of a Nation“ von 1915, aufwändig inszeniert und ein erster Blockbuster, feierte den Klan als Verteidiger gegen Schwarze, die als Bestien und Schänder von weißen Frauen dargestellt werden. In dem Film trugen die Klan-Mitglieder einheitliche weiße Roben. Der daraufhin neugegründete KKK benutzte die weißen Roben fortan als sein neues Markenzeichen. Bis weit in die 1920er Jahre hinein konnte der Klan eine breite Massenbasis aufweisen. 1925 hatte er um die vier Millionen Mitglieder und war damit eine der größten gesellschaftlichen Bewegungen in den USA. Präsidenten der USA gingen unter anderem deswegen nicht gegen ihn vor, weil ihre Wählerbasis im Süden lag.

Im Juni 1927 wurde der Vater des letzten amtierenden Präsidenten der USA, Frederick Trump, bei einer KKK-Kundgebung in Queens verhaftet, nachdem aus dieser Polizisten angegriffen worden waren.

In den dreißiger Jahren sanken der Einfluss und die Mitgliederzahlen des Klans erneut. In den Südstaaten der USA blieb er jedoch weiterhin präsent (Invisible Empire) und in einigen Regionen sehr einflussreich. Teilweise konnten Sheriff- und Richterposten nur nach vorheriger Absprache mit dem KKK besetzt werden. In den 1950er Jahren entstanden neue Klan-Gruppen, die gegen die Bürgerrechtsbewegung vorgingen. FBI Chef Hoover hatte wenig Interesse daran den Klan zu verfolgen, während er gleichzeitig hart gegen die Schwarze Bewegung vorging und Martin Luther King überwachen lies.

Morde an mehreren Menschen 1964 in Mississippi machten deutlich, wie stark der Einfluss des Klans im Süden teilweise noch war. So gehörte die örtliche Polizei dem Klan an und deckte die Täter. Zu einer Verurteilung der Mörder kam es erst im Jahr 2006. Obwohl die Mitgliederzahlen des Klans seit den 1960er Jahren lediglich zwischen 3.000 und 6.000 schwankten, stellte der KKK wichtige Infrastruktur auch für andere Aktivisten der „White  Power“-Bewegung. In den1970er Jahren organsierte der KKK dutzende militärische Trainingslager, wo nach dem Vorbild Vietnams an Militärwaffen trainiert werden konnte. Bis heute übt der KKK als älteste und traditionsreichste rassistische Vereinigung der USA eine Faszination auf White Supremacisten aus. Viele der Aktivisten anderer "White Power"-Organisationen in den letzten Jahrzehnten waren zumindest einige Zeit in KKK-Gruppierungen aktiv, bevor sie sich anderen Organisationen zuwandten.

Greensboro-Massaker

Als Kulminationspunkt dieser Entwicklung, die den Vietnamkrieg auf dem Boden der USA weiterführen wollte und den zahlreichen Paramilitärischen Camps der  extremen Rechten kann das Greensboro-Massaker gelten. Am 3. November 1979 protestierten Mitglieder einer kommunistischen Splittergruppe in Greensboro, North-Carolina gegen den KKK. Mitglieder des KKK reisten mit einem Auto voller Waffen an und erschossen fünf der Protestierenden. In dem anschließenden Gerichtsverfahren wurden die Täter in mehreren Instanzen freigesprochen. Sowohl die Richter wie auch die Jury teilten den Antikommunismus der Angeklagten und sahen diese hauptsächlich als "Patrioten". Die Schüsse seien Notwehr gewesen – obwohl es zuvor keine Schüsse auf die Klan-Mitglieder gegeben hatte.

Greensboro wurde damit zum Fanal für  die  „White-Power“-Bewegung. Auf rechten Demonstrationen in Detroit wurden Schilder mit: „Smash Communisms. Greensboro AGAIN!“ getragen. „White-Power“-AktivistInnen konnten sich durch das Urteil bestärkt fühlen, auch zukünftig gegen kommunistische Demonstranten mit Waffengewalt vorzugehen, da ein rassistischer und antikommunistischer Grundkonsens der weißen Bevölkerung besonders im Süden der USA die Täter dieser Gewalttaten vor Strafverfolgung schützte.

Terrorismus und Revolution

1978 veröffentlichte William L. Pierce das Buch „The Turner Diaries“ - bis heute die Bibel eines in Zellen organisierten Rechtsterrorismus. Auch Timothy McVeigh, der Attentäter von Oklahoma 1995, war so von diesem Werk begeistert, dass er Kopien davon herstellte und bei passenden Gelegenheiten verteilte. Selbst der NSU in Deutschland handelte später so, als habe er die "Turner-Diaries" gelesen und 1:1 in die Praxis umgesetzt. Die Wirkmächtigkeit der "Turner Diaries" ist nach wie vor stark: Im November 2020 wurde in den USA ein Mann fest-genommen, der die „Turner Diaries“ zitierte und androhte, linke Demonstranten zu ermorden und ein Gebäude des FBIs zu sprengen. Auch in Chats der „Proud Boys“ im gleichen Monat wurden die „Turner Diaries“ zitiert und ein „Day of the Rope“ angekündigt, eine Mordfantasie gegenüber Antifaschist_innen.

Kernelement der „Turner-Diaries“: Unabhängige rassistische Terror-Zellen bekämpfen den Staat für die Vorherrschaft der „weißen Rasse“. Diese Zellen werden nicht durch feste Strukturen zusammengehalten, sondern durch ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Ideologie, ohne dass sich die Zellen untereinander direkt kennen oder absprechen. Dadurch werden die rechten Terror-Zellen von außen nicht als ein zusammenhängendes Ganzes erkennbar und staatliche Repression kann diese schwerer treffen.

Eine neue Phase nach dem Vorbild der „Turner-Diaries“ begann ab 1983: die Phase des bewaffneten terroristischen Kampfes durch „White Power“-AktivistInnen gegen den Staat. Anders als bei früheren rassistischen Bewegungen in den USA wie z.B. dem KKK, war es nun nicht mehr das Ziel, sich z.B. für die Rassentrennung innerhalb des bestehenden politischen Rahmens einzusetzen. Stattdessen traf eine apokalyptische christliche Endzeitstimmung auf rassistische Fantasien und die Überzeugung, "ZOG" („Zionist Occupational Government“) bzw. NWO („New World Order“) würden daran arbeiten, die "weiße Rasse" zu vernichten und nur ein rücksichtsloser Kampf dagegen könne noch helfen. Die Zeit für Kompromisse sei vorbei, es sei jetzt die Zeit des Schwertes, schrieb Louis Beam, langjährige Führungsfigur der „White-Power“-Bewegung und des texanischen KKK, und propagierte den „leaderless resistance“.

Als Höhepunkt dieser Entwicklung gilt ein Treffen hunderter „White Power“-Protagonisten auf dem Grundstück der „Aryan Nations“, eine der zentralen christlich-rassistischen Gruppierungen in den 1970er und 1980er Jahren in Hayden Lake, Idaho im Jahr 1983. Das Grundstück der „Aryan Nations“ war als Kirche angemeldet und  seit den 1970er Jahren ein wichtiger Knotenpunkt der Bewegung. Auf diesem Kongress wurde der Krieg gegen den Staat und ein "revolutionärer Rassenkrieg" erklärt, der von vielen Teilnehmern dann in die Tat umgesetzt wurde. Bekannteste Gruppe dieser neuen Strategie: „The Order“. Ab 1983 überfiel diese Gruppe zur Finanzierung Banken und Geldtransporter, fälschte Geldscheine, legte Feindeslisten an, lieferte sich Schusswechsel mit der Polizei und ermordete den jüdischen Radiomoderator Alan Berg (Vgl. AIB NR. 105). Ihr Ziel: Befreiung von der „Herrschaft der Juden“ und Sieg der „arischen Rasse“.

Eine weitere Neuerung, die aus dem Treffen in Hayden Lake hervorging, war die starke Schaffung und Nutzung von Computer-Netzwerken. Die „White Power“-Organisationen waren damit early adopter dieser neuen Technologie. Schon im Frühling 1984 erschuf Louis Beam das „Aryan Nations Liberty Net“. Ein Jahr später gründete Tom Metzger, "Grand Wizard" des KKK, die Plattform „White Aryan Resistance“ (W.A.R.) mit 300 bit Modems und einem C64. Diese frühen Netzwerke unterstützten die zentrale Leitidee des „leaderless  resistance“: Unabhängige Zellen konnten miteinander in Verbindung treten, Propaganda teilen und sich koordinieren – und blieben  gleichzeitig  anonym. Auch „The Order“ unterstützte mit einem Teil des geraubten Geldes das „Liberty Net“.

Separatisten

Innerhalb der USA versuchten Teile der „White Power“-Bewegung ein eigenes territoriales Gebilde im Nord-Westen der USA zu erschaffen, in dem nur Weiße leben sollten. Nicht zufällig war auch das Hauptquartier der „Aryan Nations“ direkt in diesem Territorium gelegen. Die Staaten Idaho, Washington, Oregon und Western Montana sollten zu dieser „White Aryan Republic“ gehören. Auch David Lane, Mitglied von „The Order“ und Urheber der bis heute in der Neonaziszene weltweit zitierten „Fourteen Words“, unterstützte die Idee der Schaffung eines rein weißen Staates auf einer Fläche von 10 Prozent der USA.

Das Gebiet wurde gewählt, weil dort vergleichsweise wenig Schwarze und Menschen aus Lateinamerika lebten, es am weitesten weg von Washington lag und durch eine sehr spärliche Besiedlung bei den weißen Separatisten die Fantasie weckte, dort weitgehend ungestört von staatlichen Eingriffen nach eigenen Gesetzen leben zu können. In den 1970er und 1980er Jahren zogen zahlreiche „White Power“-AktivistInnen mit ihren Familien in die Region. Zwischen den Jahren 1980 und 1984 stieg die Hass-Kriminalität allein in Idaho um mehr als 500 Prozent- ein deutliches Zeichen für die zunehmende Präsenz von „White Power“-Strukturen vor Ort und dem Einfluss der „Aryan Nations“.

Ruby Ridge und Waco

Besonders zwei Ereignisse sind bis heute in das Gedächtnis von „White-Power“-AktivistInnen in den USA eingebrannt: In Ruby Ridge, ebenfalls in Idaho gelegen und ca. zwei Stunden Autofahrt von Hayden Lake entfernt, stürmten 1992 schwer bewaffnete Polizei-Spezialeinheiten nach tagelanger Belagerung ein kleines Anwesen in den Bergen, wo sich Mitglieder der Familie Weaver verschanzt hatten. Vicki Weaver, Frau des vom FBI wegen angeblichem illegalen Waffenhandel gesuchten Randy Weaver, starb durch den Schuss eines Scharfschützen, während sie ihr zehn Monate altes Kind auf dem Arm trug. Die Weavers waren Anhänger der "White Power"-Bewegung und 1983 in der Hoffnung auf die Schaffung eines rein weißen Siedlungsraums nach Idaho gezogen. Mindestens dreimal nahmen die Waevers an „Aryan Nations“-Kongressen teil. Während der Belagerung und Erstürmung des Geländes durch das FBI und ATF (Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives) wurden die Weavers durch mehr als 300 Nachbarn und "White-Power"-AnhängerInnen unterstützt. Diese protestierten außerhalb des Belagerungsringes und versuchten Waffen auf den Berg einzuschmuggeln.

Ein Jahr später kam es zu einem vergleichbaren Ereignis: In Waco, Texas, belagerten Bundespolizisten das festungsartig ausgebaute Anwesen der christlichen Sekte „Branch Davidians“ und stürmten dieses schließlich mit der Unterstützung von Panzern. 82 Mitglieder der Religionsgemeinschaft starben durch Schüsse und einen ausgelösten Brand, darunter Schwangere und Kinder. Das äußerst brutale Vorgehen des Staates mit militärisch vorrückenden Polizeieinheiten war nichts Neues in den USA. Neu war, dass diese Einheiten nicht mehr nur, wie sonst üblich, in schwarzen Siedlungen eingesetzt wurden, sondern auch gegen Weiße.

Für die „White Power“-Bewegung waren dies Beweise, dass der Staat einen Krieg gegen die weiße Bevölkerung führe. Auch wenn die Sektenmitglieder von Waco nicht der „White-Power“-Bewegung angehörten, wurden doch beide Ereignisse als biblisches Martyrium von Mitgliedern der weißen Rasse gegen eine übermächtige Armee der „New World Order“ gesehen. Wenn Ruby Ridge und Waco möglich waren, war auch jeder andere "weiße Patriot" in den USA in Gefahr, seine Waffen, sein Haus und sein Leben zu verlieren.

Oklahoma City

Exakt am zweiten Jahrestag von Waco, am 19. April 1995, übte Timothy Mc Veigh durch eine Autobombe auf das Alfred P. Murrah Regierungsgebäude Rache für Waco. 168 Menschen starben, darunter 19 Kinder eines Kindergartens, 500 Menschen wurden verwundet. Der  Anschlag folgte fast exakt den "Turner Diaries": Auch dort wird mithilfe einer Autobombe das FBI Hauptquartier in Washington DC zerstört. Auch die Uhrzeit der Tat in Oklahoma-City, 9:02, ist fast exakt die Uhrzeit, die in den "Turner Diaries" genannt wird.

Beim Anschlag trug McVeigh ein T-Shirt mit der Aufschrift: „The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants“. Eine Parole, die nach Ruby Ridge innerhalb der „White-Power“-Bewegung benutzt wurde. McVeigh wurde bei seinem Gerichtsprozess als Einzeltäter zum Tode verurteilt. Doch er war kein Einzeltäter. Er handelte nach dem Zellenmuster, dass seit den 1980er Jahren in der US-Terrorszene üblich war und hatte ein breites Netz von Helfern, die ihn bei den Vorbereitungen unterstützten: Er war zuvor Mitglied der „Knights of the KKK“ (KKKK), stahl mit Mitgliedern einer Miliz Waffen von Militärbasen und verübte Überfälle um Geld zu beschaffen.

Die Spur "Elohim City" - Berlin

In "Elohim City", einer christlich-rassistisch-separatistischen Siedlung mit ca. 75 Personen, trainierten die Bewohner regelmäßig mit Militärwaffen, Antipersonenminen und Sprengstoff. "Elohim City" hatte eine lange Vorgeschichte als sicherer Hafen von Neonazi-Terroristen auf der Flucht. Schon Mitglieder von „The Order“ und der „Aryan Republican Army“ hatten sich dort versteckt. Ein Leiter der paramilitärischen Verteidigungseinheit von "Elohim City" war zeitweise der Deutsche Andreas Straßmeir (Berlin). Dieser ist brisanter Weise der Sohn des Personalchefs von dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl - Günter Straßmeier. Wenige Wochen vor dem Anschlag telefonierte McVeigh mit "Elohim City". Straßmeir kannte er von gemeinsamen Besuchen von Waffenmessen.

Kontinuitäten

Eine große Gruppe von Personen und festen Strukturen aus der „White-Power“-Bewegung hatte so von dem bevorstehenden Anschlag gewusst und diesen aktiv unterstützt. McVeigh wollte eine Botschaft an die „New World Order“ aussenden: Dass es noch weiße amerikanische Männer gab, die fähig waren Krieg gegen den Staat zu führen. Der Anschlag elektrisierte die „White Power“-Szene: Zahlreiche Nachahmungstaten wurden in den nächsten Monaten geplant, darunter Anschläge auf FBI-Gebäude, Abtreibungskliniken oder das Büro der „Anti Defamation League“. Die meisten konnten vorher verhindert werden.

Ruby Ridge und Waco sind bis heute wichtiger Orientierungsrahmen für White Supremacisten und rechte Milizen geblieben. Noch 2016 unterstützte die rechte bewaffnete Miliz „Three Percenters“ die Besetzung eines Gebäudes in dem Naturschutzgebiet Malheur National Wildlife Refuge in Oregon. Die Begründung: man wolle ein zweites Waco verhindern.

Keine Randerscheinung

Schätzungen gehen von ca. 25.000 „White Power“-Aktivisten in den 1980er Jahren aus, bis zu 175.000 besuchten gemeinsame Veranstaltungen und können als Sympathisanten gelten. Um die 450.000 lasen „White Power“-Literatur. In den neunziger Jahren wird von ca. 50.000 Mitgliedern von bewaffneten staatsfeindlichen Milizen ausgegangen und ca. fünf Millionen Amerikaner sahen sich selbst als Teil einer „Patriotischen Bewegung“ - was eine höhere Mobilisierungsfähigkeit bedeutet, als der KKK in seiner Hochphase in den 1920er Jahren hatte.

Bis in die jüngste Vergangenheit reißen mörderische Anschläge durch Anhänger von „White Power“ in den USA nicht ab: 2012 wurden sechs Personen der Sikh-Minderheit in Wisconsin erschossen, 2015 neun schwarze Gläubige in South Carolina. 2018 starben bei einem Attentat auf eine Synagoge in Pittsburg elf Menschen, 2019 23 Menschen in einem Supermarkt in El Paso – die meisten davon aus Lateinamerika. Alle Täter dieser Anschläge waren Anhänger der „White Power“-Ideologie und mit diversen „White Power“-Organisationen in  Verbindung.

Dieser kurze Überblick über die „White Power“-Bewegung in den USA macht deutlich, dass es sich nicht um lose verbundene Einzeltäter handelt, sondern um eine soziale Bewegung mit tiefen gesellschaftlichen Wurzeln. Ein gemeinsames ideologisches Band, feste Infrastrukturen und Einzelpersonen, die über Jahrzehnte hinweg aktiv sind, haben diese Bewegung in den letzten Jahren fest zusammengehalten und immer wieder erneuert.

Neu hinzugekommen ist eine Verschmelzung mit dem breiten Netz von bewaffneten und staatsfeindlichen Milizen der USA. So kündigte im November 2020 die mit mehreren zehntausend bewaffneten Mitgliedern größte rechte Miliz „The Oath Keepers“ an, den neu gewählten Präsidenten der USA, Joe  Biden, nicht zu akzeptieren. In Chats der „Oath Keepers“ wurden Morde an Journalisten vor laufenden Kameras empfohlen. Wenn sich in den 1980er Jahren eine „White Power“-Terrorszene unter dem republikanischen Präsidenten Ronald Reagan entwickeln konnte, kann man sich vorstellen, wie ungleich brutaler und breiter diese in den nächsten vier Jahren gegen den demokratischen Präsidenten Joe Biden und die Vize-präsidentin Kamala Harris vorgehen wird. Mit zahlreichen bewaffneten Angriffen auf staatliche Institutionen und Repräsentanten ist zu rechnen.

(Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien bereits vor dem Sturm rechter Gruppen auf das Capitol in der aktuellen Print-Ausgabe des Antifaschistischen Infoblatt Nr. 129 und berücksichtigt daher nicht die aktuellsten Entwicklungen.)

Literatur: Kathleen Belew: "Bring the war home. The White Power Movement and paramilitary America." 2018.