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Die Nationale Front: Neonazis in der DDR

Ein Film von Andreas K. Richter und Tom Franke
Einleitung

Als neonazistische Skinheads 1987 ein Konzert in der Ostberliner Zionskirche überfielen, sahen dies viele Beobachter als ein katalytisches Ereignis für die Herausbildung des Rechtsextremismus in der DDR. Der zwanzigste Jahrestag dieses Überfalls bot den Autoren den Anlass für eine filmische Rekonstruktion der damaligen Ereignisse. 

In der rund fünfzigminütigen Dokumentation kommen sowohl zwei der damaligen Täter, als auch unmittelbare damalige Akteure aus dem oppositionell-jugendkulturellen Umfeld der Ostberliner Kirchenszene und andere Zeitzeugen zu Wort. Beide interviewten Täter geben in ihren Einlassungen beredtes Zeugnis von der Gemengelage, aus welcher der spezifische DDR-Rechtsextremismus entstand. Ronny Busse, damals als Haupttäter verurteilt, ergeht sich in der Wiederholung gängiger Klischees, die den jugendkulturellen Rechtsextremismus als Protesthaltung gegenüber dem repressiven Antifaschismus der DDR zu rechtfertigen suchen.

Die zweite Gruppe der befragten Zeitzeugen sind unter anderem Konzertbesucher, Mitarbeiter der in der Zionsgemeinde ansässigen Umweltbibliothek und ein Mitglied der Ostberliner jüdischen Gemeinde. Zu Wort kommen auch der ehemalige K1-Kriminalist Bernd Wagner und Pfarrer Rainer Eppelmann. Während Wagners Aussagen nicht über bisher bekannte Fakten hinausgehen, erschließt sich die Rolle von Eppelmann als Zeitzeuge in diesem Kontext nicht. Weder war Eppelmann Pfarrer der Zionskirche, noch war er Ostberliner Stadtjugendpfarrer. Und so liegt der Verdacht nahe, dass Eppelmann ob seiner Prominenz als Zeitzeuge befragt wurde. Entsprechend dürftig sind seine Auskünfte. Erfrischend hingegen ist der Auftritt der Historikerin Annette Leo, die das Gesamtdilemma der Causa Zionskirche auf den Punkt bringt.

Zwischen die Gesprächssequenzen sind Bilder des Fernsehmagazins Kontraste aus den Jahren 1986–1988 und Aufnahmen aus dem DDR-Dokumentarfilm »Unsere Kinder« geschnitten. Sie zeigen illegal geführte Interviews mit Skinheads und Momentaufnahmen der Szene. Die eingesetzten filmischen Mittel erinnern sehr an die Methode Guido Knopp. Schnelle Schnitte wechseln mit Überblendungen historischer Aufnahmen und den zusammengefügten Sequenzen der Zeitzeugengespräche. Ist dieses Stilmittel im dokumentarischen Teil des Films noch erträglich, so wird es im Hinblick auf die Zeitzeugenaussagen zum Ärgernis. Denn die Interviewsequenzen sind zu stark auf den dramaturgischen Effekt des Films geschnitten, was zu Lasten der inhaltlichen Stringenz der Gespräche geht.

Der Film hat ausschließlich die Ereignisse um die Ostberliner Zionskirche zum Gegenstand. Insofern ist der Untertitel »Neonazis in der DDR« im Film nicht wirklich eingelöst. Dieser auf Ostberlin zentrierte Blick ist vielen zeitgeschichtlichen Dokumentationen über die DDR eigen, die als relevante regionale Bezugsgröße allenfalls noch Leipzig aufführen. Dies unterschlägt jedoch, dass Ostberlin zwar in jeder Hinsicht der Brennspiegel der krisenhaften Entwicklung der DDR-Gesellschaft war, nicht jedoch ihr Motor. Dieser lag – auch im Falle des Rechtsextremismus – in der Provinz, sprich in den Bezirken der DDR.

Nach seiner Uraufführung war im publizistischen Umfeld der Linkspartei der Vorwurf zu hören, der Film diffamiere die DDR als Hort von Neonazis. Das tut er nicht. Er gibt erneut zur Kenntnis, was viele Funktionäre damals nicht wahrhaben wollten: Neonazis made in GDR.

Zweifelsohne hätte der Film an inhaltlichem Profil gewonnen, wenn die Autoren auf manche Effekthascherei zu Gunsten nüchterner filmischer Mittel verzichtet hätten. Auch ist der Film mit rund fünfzig Minuten nicht zu lang, so dass es keine Notwendigkeit gibt, die Zeitzeugen so eng zu schneiden. Insgesamt kann der Film als Einstieg in eine Diskussion um das in jeder Hinsicht schwierige Erbe des DDR-Antifaschismus gesehen werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Nationale Front: Neonazis in der DDR
Ein Film von Andreas K. Richter und Tom Franke
Berlin 2007 ca. 50 Min