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Die »Berater« der sächsischen NPD-Fraktion

Einleitung

Rechtsextreme Wahlerfolge – das bedeutete in der Vergangenheit regelmäßig: Peinliche Auftritte, demonstrative Inkompetenz, finanzielle Unregelmäßigkeiten und interne Streitereien. Selten schafften es die Abgeordneten bis in die nächste Legislaturperiode. Die sächsische NPD versucht dieser typischen Entwicklung durch das Anstellen politischer Berater zu entgehen. Diese Berater stammen aus dem kleinen Kreis rechtsextremer Ideologen, die seit Jahren in den einschlägigen Zeitungen publizieren, Bücher schreiben und auf Schulungsveranstaltungen referieren. Drei von ihnen stellen wir im Folgenden vor.

Auch am 13. Februar in Dresden: Holger Apfel, Gerhard Frey, Udo Voigt und Franz Schönhuber unter der Fahne der NPD

Karl Richter
»Eine Parlamentsfraktion ist ein hervorragendes Aufklärungsinstrument. Vorausgesetzt, man weiß es zu benutzen und vermeidet alte Fehler«, schreibt Redakteur Karl Richter im extrem rechten Strategieorgan »Nation & Europa«. Einer der parlamentarischen Berater der sächsischen NPD, die solche Fehler vermeiden sollen, ist der 42jährige Richter selbst.

Er versucht hier eine »NPD-Denkfabrik« zu initiieren, damit »ideologische Sollbruchstellen zwischen Koalitionswilligen und nationalen Überzeugungstätern« im »Zermürbungskrieg des parlamentarischen Alltags« das extrem rechte »Parlamentsexperiment« nicht platzen lassen. »Mikrofone, Redezeit, Fraktionsgelder in sechsstelliger Höhe.

Mit etwas Einübung in die parlamentarischen Gepflogenheiten«, meint Richter, »lässt sich daraus ein mächtiges politisches Instrument schmieden«. Er selbst wird für seine Bemühungen als »zeitgeschichtlicher Berater« der sächsischen NPD mit 2.300 Euro aus der Staatskasse entlohnt.1 Ganz unbescheiden beschreibt er in »Nation & Europa«, dass bei der Zusammensetzung der »NPD-Denkfabrik« auf »bewährtes Personal aus der gesamten Szene mit Kompetenzen weit über die Parteigrenzen hinaus« zurückgegriffen worden sei. Richter begann seine rechte Karriere im Münchener Milieu der Burschenschaft Danubia und als Redakteur rechter Zeitungen. Für sein Studium in den Fächern Geschichte, Volkskunde, Musikwissenschaft und Indologie erhielt er das »Herwig Schopper Stipendium« der »Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaft und Künste«.2

Er war parlamentarischer Assistent des Republikaner-Abgeordneten Harald Neubauer im Europaparlament und für die bayerischen Republikaner als Pressesprecher tätig. Diese Funktion übte er jedoch nicht lange aus, da er die Partei im Juni 1990 nach einem Parteiausschlussantrag verlies. Er wechselte zur »Deutschen Liga für Volk und Heimat« (DLVH), wo er einen Posten im Bundesvorstand bekam. Im Februar 1994 veröffentlichte »Nation & Europa« ein Gedicht mit dem Titel »Armes Vaterland«. In diesem hieß es u.a.: »Schwarze, Braune, Halbweiß‘, Gelbe, alle wollen nur dasselbe: Unser Geld in ihre Hand. Deutschland armes Vaterland!«3 1995 wurde Karl Richter vom Amtsgericht Coburg aufgrund dieses Gedichts wegen Volksverhetzung zu fünf Monaten Freiheitsstrafe auf zwei Jahre Bewährung verurteilt. Noch im selben Jahr wurde Richter Vorstandsmitglied der extrem rechten »Gesellschaft für freie Publizistik«.

Seine vielseitige publizistische Tätigkeit4 und Autorenschaft für mehrere Bücher zeigt, dass Ideologen in der extrem rechten Szene rar gesät sind. Einer der wenigen ist Karl Richter. Die »Junge Freiheit« bezeichnete ihn als »einer der besten nonkonformen Publizisten Deutschlands«5 und die »Deutsche Stimme« zählte ihn zu den »profiliertesten Vertretern der nationalen Publizistik in Deutschland«6 . Ob »Freiheitlicher Kongreß« der NPD oder »Heidelberger Gespräch« der »Burschenschaft Normannia«, immer wieder tritt Richter als gefragter Referent der extremen Rechten auf. Bis 2003 konnte er gar im Bundeswehr-»Verteidigungskommando 65« in München politische Seminare zum Thema Rechtsextremismus anbieten.7 Mit dem Rang eines Stabsoffiziers nahm er regelmäßig an Wehrübungen der Bundeswehr teil. Auch hier hielt er Schulungen zur politischen Bildung ab.8

Im Herbst 2003 gelang ihm der nächste Coup. In der Rolle des Adjutanten des Generalfeldmarschalls Keitel, Hitlers engsten militärischen Beraters, spielte er in dem Kinofilm »Der Untergang« über die letzten Tage von Adolf Hitler mit. Karl Richter machte aus seiner politischen Gesinnung über die Jahre seiner publizistischen Tätigkeit keinen Hehl. 1993 trat er mit den Holocaust relativierenden Äußerungen an die Öffentlichkeit: »Sechs Millionen Tote, so sagt man, seien das ‚singuläre’ zu deutsch: einzigartigste Verbrechen der Deutschen, begangen an Juden während des dritten Reiches. Dabei stimmt schon die Zahl nicht (...) Sechs Millionen? Drei Millionen – oder noch weniger? Wo bleibt denn da die ‚Singularität’?«9 Ein Jahr später agitierte er gegen Minderheiten schlechthin: »Heute sind Fixer, Homos, Lesben, Asylbetrüger, Schwerkriminelle noch Minderheiten in unseren  Breiten. ‚Political correctness’ macht`s möglich, dass aus Asozialen und Randfiguren nach und nach Mitbürger wie du und ich werden«.10 Ein Jahr später relativierte er erneut die NS-Verbrechen: »Was soll an Auschwitz ‚singulär’ sein – neben Hiroshima, Dresden und Nagasaki ?«11 .

Andreas Molau

Der neue wissenschaftliche Mitarbeiter für »schulpolitische Fragen« der NPD-Sachsen ist Andreas Molau (36). Für diese Aufgabe und einen Job bei der NPD-Parteizeitung »Deutsche Stimme« kündigte er seinen Arbeitsplatz als Lehrer an einer Braunschweiger Waldorfschule. Molau begann seine politischen Aktivitäten als 16jähriger bei der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten«.12 Später trat er als Autor der rechtsextremen »Deutschen Monatshefte« in Erscheinung. Während seines Studiums der Germanistik und Geschichte in Göttingen wurde er Mitglied der »Deutschen Hochschulgilde Trutzburg Jena zu Göttingen«. Auch hier war er als Autor tätig, für die Burschenschaftler-Zeitung »Göttinger Zirkel«.

Seinen Weg zum »Schulexperten« begann er im Bundesvorstand der »Deutschen Gildenschaft«. Hier übte er Anfang der 90er Jahre das Referat Erziehung und Bildung aus.13 Bald folgten die ersten Buchveröffentlichungen. Seine Staatsexamenarbeit über »Alfred Rosenberg. Der Ideologe des Nationalsozialismus« wurde in einem rechten Verlag herausgegeben. In seinem Sammelband »Opposition für Deutschland«  kam neben seinem jetzigen Kollegen Karl Richter auch der Holocaust-Leugner Germar Rudolf zu Wort. Seine Artikel fanden sich in der rechtsextremen Zeitschrift »Nation & Europa« ebenso wie im rechtsintellektuellen Magazin »Criticon« und in der Zeitschrift »Ökologie«. Zeitweilig war er Redakteur des Kulturteils der extrem rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit«, die er nach einem politischen Zerwürfnis jedoch wieder verließ. Anschließend wurde er Chefredakteur der Zeitschrift »Deutsche Geschichte«.

Für die extrem rechte »Gesellschaft für Freie Publizistik« trat er als Referent auf. Seit 1994 ist er Herausgeber des Jahrbuches »Deutscher Almanach« in einem rechten Verlag.14 Auch Molaus politische Ausrichtung war und ist offensichtlich. In den »Deutschen Annalen« von 1995 äußerte sich Molau zu der »Lebenslüge Bundesrepublik Deutschland«: »Auschwitz ist zum Dogma geworden, und die Bundesrepublik hat sich mit diesem Dogma endgültig der Lächerlichkeit preisgegeben (...) Sich diesen Dogmen zu entziehen, ist ein Akt der Selbstbefreiung.«15 In der »Deutschen Stimme« forderte er 2004 in einem geradezu apokalyptischen Duktus: »Was wir heute brauchen, ist eine Einheitsfront derjenigen, die eine Abschaffung des deutschen Volkes verhindern wollen. Dem steht bekannterweise die Einheitsfront jener gegenüber, die mit der multikulturellen Gesellschaft gerade dies vollenden wollen.«16

Franz Schönhuber

Als »europapolitischen Berater« hat sich die NPD Franz Schönhuber ins Boot geholt. Der über 80jährige kann auf eine lange Geschichte in der extremen Rechten zurückblicken: 1937 wurde er Kameradschaftsführer in der Hitler-Jugend und trat 1941 in die NSDAP ein. 1942 wurde er in die »Leibstandarte Adolf Hitler« der Waffen-SS aufgenommen. Nach Einsätzen in ganz Europa wurde er Ausbilder in der SS-Division Charlemagne und wurde schließlich zum »Endkampf« in die 11. SS-Freiwilligen-Panzergrenadierdivision »Nordland« versetzt. Nach anderthalb Jahren Kriegsgefangenschaft in England wurde er von einer »Spruchkammer« als Mitläufer eingestuft.

Bald begann seine journalistische Karriere: Zunächst betreute er Sendungen beim Bayerischen Rundfunk und schrieb Kolumnen für die Münchner Abendzeitung. 1969 wurde er Chefredakteur der Münchner Boulevardzeitung »TZ«, die er jedoch recht bald wieder verließ. Noch galt er als Linker, seine Frau Ingrid war SPD-Stadträtin in München. 1974 wurde er Vorsitzender des Bayerischen Journalistenverbandes sowie Mitglied des Deutschen Presserats und 1975 schließlich Hauptabteilungsleiter beim Bayerischen Rundfunk. Im gleichen Jahr wurde er Moderator der populären Wirtshaus-Polittalkshow »Jetzt red i«. Zu dieser Zeit war Schönhuber CSU-nah und wurde von der bayerischen politischen Elite hofiert. Ab 1979 wurden ihm rechtsextreme Äußerungen und seine NS-Vergangenheit vorgeworfen und die CSU ging langsam auf Abstand. Nachdem er 1981 das autobiographische Buch »Ich war dabei« veröffentlichte, in dem er seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS glorifizierte, wurde er zur persona non grata und verlor 1982 seinen Posten beim BR und den Ehrenvorsitz des bayerischen Journalistenverbands.

Er wurde zur Identifikationsfigur der extremen Rechten und gründete 1983 die Republikaner, bei denen er sich Mitte der 80er Jahre als Führungsfigur durchsetzte. 1989 zogen die REPs ins Berliner Abgeordnetenhaus und ins Europaparlament ein, Schönhuber wurde Europaabgeordneter. Mit rassistischen Ausfällen, die im nationalen Taumel der Wendezeit auf fruchtbaren Boden fielen, verschaffte er sich und den REPs bundesweit Gehör. Ab 1990 kam es zu parteiinternen Machtkämpfen, bei denen sich Schönhuber bis 1994 stets durchsetzen konnte. Die REPs konnten allerdings nicht mehr an ihre Erfolge von 1989 anknüpfen und verloren an Bedeutung. 1994 setzt der Bundesvorstand Schönhuber nach einer gemeinsamen Erklärung mit DVU-Chef Gerhard Frey ab. 1995 verlässt er die REPs. Seitdem setzt sich Schönhuber für eine rechtsextreme Sammlungsbewegung ein und formuliert dieses Anliegen als Referent der »Deutschen Liga für Volk und Heimat« (DLVH) und als Kolumnist der parteiungebundenen rechtsextremen Zeitschriften Nation & Europa und Europa Vorn.

Die Abgrenzung der REPs gegen noch rechtere Konkurrenten hat er abgelegt: 1998 kündigt er seine Kandidatur als Parteiloser auf der Liste der DVU für die Europawahl 1999 an und hat von 1999 bis 2003 eine regelmäßige Kolumne in der »Deutschen Nationalzeitung« Gerhard Freys. Im Sommer 2000 veröffentlicht er zusammen mit dem notorischen Holocaust-Leugner Horst Mahler das Buch »Schluss mit deutschem Selbsthass« und tritt mit diesem auf Veranstaltungen und Pressekonferenzen – u.a. auch zum damals zur Diskussion stehenden NPD-Verbot – auf. Seit Januar diesen Jahres hat er eine Kolumne im NPD-Organ »Deutsche Stimme«, in der er den Grund seines Schmusekurses mit der NPD offenbart: Er fühle sich verpflichtet, »jede Gelegenheit wahrzunehmen, meine revisionistischen Gedanken zu verbreiten.«17 Mit seiner Berufung zum Berater der NPD ist der umtriebige und machthungrige Politiker und Publizist wieder dort gelandet, wo er schon mit den REPs hinwollte – da, wo man mit rechtsextremer Politik den größten Einfluss und die größte Aufmerksamkeit erzielt.

Fazit

Allen drei Beratern sind eine langjährige Tätigkeit in Strukturen der extremen Rechten, eine umfangreiche publizistische Tätigkeit und fraktionsübergreifende Kontakte in die unterschiedlichen Fraktionen der extremen Rechten in Deutschland gemeinsam. Sollte die NPD in weitere Landtage einziehen, dürfte sie Probleme bekommen, weitere Berater zu finden, auf die diese Kriterien zutreffen und die bereit sind, sich der NPD unterzuordnen. Wie so oft in der Geschichte der extremen Rechten seit 1945 mangelt es ihr an kompetenten Persönlichkeiten, um auf Dauer überregional oder gar bundesweit Realpolitik machen zu können. 

  • 1Freie Presse, 16. November 2004
  • 2www.gfp-netz.de/vorstand_richter_karl.html
  • 3»Nation & Europa«, Februar 1994
  • 4Der Münchener Mediengestalter Karl Richter wurde 1988 Verantwortlicher für das Danubia-nahe Blatt »Münchener Freiheit«. Ein Jahr später war er bereits Mitarbeiter der extrem rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit«. Im März 1990 wurde er kurzzeitig zum Chefredakteur der REP-Parteizeitung »Der Republikaner« ernannt. Zwischen 1991 und 1997 wurde Richter zum Chefredakteur des rechtsextremen Theorieorgans »Nation & Europa«, für das er bis heute als Autor tätig ist. 1991 wurde er Chefredakteur der DLVH- Parteizeitung »Deutsche Rundschau«. 1998 hob Richter das extrem rechte Blatt »Opposition« mit aus der Taufe, dessen Chefredakteur er bis zur Einstellung 2002 war. Nebenher war er im Redaktionsbeirat der Zeitschrift »Deutsche Geschichte« aus der »Verlagsgesellschaft Berg«.
  • 5Junge Freiheit 26/02, 21. Juni 2002
  • 6Deutsche Stimme, Oktober 2001
  • 7Frankenpost, 5.10.2004
  • 8FAZ 8.10.2004
  • 9Deutsche Rundschau 8-9/1993
  • 10»Nation & Europa – Deutsche Rundschau« 7-8/1994
  • 11»Nation & Europa – Deutsche Rundschau«, 7-8/1995
  • 12stern 5/2004
  • 13Stephanie Junkers: »Der Kulturbegriff der Rechten am Beispiel der Jungen Freiheit«, Frankfurt/M 1995 und www.math.uni-goettingen.de/sumpf/bg-jura/erstsemester/ersti-info/main.h…
  • 14www.gfp-netz.de/referenten_molau_andreas.html
  • 15Andreas Molau: »Lebenslüge Bundesrepublik Deutschland«, in Gert Sudholt (Hrsg.): »Deutsche Annalen 1995«|, Berg 1995, Seite 33, 45 – 47.
  • 16Molau, Andreas: »Die Grünen sind in der BRD angekommen«. In: »Deutsche Stimme« Nr.11, Riesa 2004, Seite 24.
  • 17Deutsche Stimme 1/2005, Riesa