Skip to main content

Deutsche Heldensage reloaded. Der Film »Operation Walküre«

Einleitung

Der Stauffenberg-Film »Operation Walküre« ist cineastisch betrachtet kulturindustrielles Kunsthandwerk, doch seine Ikonographie bedient das Narrativ des deutschen Heldenmythos Stauffenberg.

Bild: Bundesarchiv 146-1972-025-10, Hitler-Attentat, 20. Juli 1944/CC BY-SA 3.0

Die "Wolfsschanze" nach dem gescheiterten Attentat.

Es gibt nicht viele Filme aus Hollywood welche die ungeteilte Euphorie der rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF) erheischen. Doch der Film »Operation Walküre« wurde in der JF, die seit Jahren den Stauffenberg-Mythos nährt, auf die Titelseite gehoben. Das positive Echo liegt wohl darin begründet, dass die Hollywood Produktion mit Tom Cruise, wenn auch nicht intentional, den Topos des einsamen deutschen Helden aktualisiert, der seit Siegfried alle Tugenden in seiner Person zu vereinen scheint. Der Film, so gibt sich die JF begeistert, transportiere, was deutsche Produktionen zum Thema Stauffenberg vermissen ließen: Pathos, Schicksal, Opferbereitschaft.

Und in der Tat appellieren Plot, Kamerafahrten und Dialoge des Film fast von der ersten Sequenz an jene affektiven Emotionen, für die Hanns Eisler den Begriff der Dummheit prägte. Das gesamte Ensemble des Films drängt den Zuschauer zur plumpen Perspektivübernahme des Hauptdarstellers, der ihm als militärischer Führer, geistiger Kopf und jene Kraft erscheint, die den Gang der Dinge beschleunigt. Die Regie ist so sehr auf Cruise zugeschnitten, dass die anderen militärischen Akteure wie Olbrich, Fromm und selbst Tresckow als bloße Sparringpartner ohne charakterliche Binnenkonflikte zwischen Loyalität und Sozialisation, zwischen Situation und zeitgeschichtlichem Kontext erscheinen.

Ihre Charakterrollen sind keine, sondern Masken der Feigheit, des Opportunismus, des Wankelmuts und des beschränkten Geistes. Für Ambivalenzen, Brüche und Konflikte von Personen und Handlung, die nicht auf   Stauffenberg als ihr Zentrum zulaufen, sehr wohl aber der Charakterisierung der Atmosphäre dienlich wären, hat der Film keinen Platz, keine Zeit. So sind denn auch die Dialoge angelegt. Es vergeht keine Sequenz, in der Stauffenberg/Cruise nicht einen triumphalistischen, apodiktischen Ton gegenüber seinen Mitstreitern anschlägt, und alle dreißig Sekunden eine pathetische Geste oder ein Stillleben inszeniert. Das macht den Film für Zuschauer mit mehr Interesse am Stoff, denn an der Größe der Hakenkreuzfahnen, nur schwer erträglich.

Anhand eines fiktionalen Films darüber Klage zu führen, dass diese Darstellung des Stauffenberg-Umfeldes nicht den Realitäten entsprach, wäre ebenso naiv, wie jene Heerscharen von Historikern, die als Rezensenten nach zeitgeschichtlichen Detailfehlern mit der Absicht fahnden, den amerikanischen Produzenten gehe ab, worauf es den Deutschen besonders ankommt. Detailverliebtes Geschichtsgefühl.

In diesem Ensemble erscheint Hitler als zivil gekleidete Slapstickfigur, der Wahnsinn und Trübsinn ohne jeden Anflug von Dämonie ins Gesicht geschrieben sind. Der Film versucht wohltuender Weise nicht, die Frage nach dem Grund der Wirkungsmacht Hitlers auf die Generalität zu beantworten. Hitler bleibt, obwohl Zielpunkt des Attentats, eine Nebenfigur. Was im westeuropäischen Kontext als guter Actionfilm durchgeht, entfaltet vor deutscher Kulisse eine Dynamik des Pathos, der jähen Ergriffenheit, die aus der Geschichte des Attentats einen Schicksalsort der deutschen Misere macht. Etwa wenn Stauffenberg mit einer sinnfälligen Zitatparaphrase, die gewiss die deutsche Synchronisationsregie zu verantworten hat, sagt: »Man kann nicht Deutschland und dem Führer dienen.« Mit dieser und anderen Worthülsen stabilisiert der Film in seiner Gesamtinszenierung die Rede vom »anderen Deutschland« in pathetischer Sprücheklopferei und Gesten seines Haupthelden. Es ist diese Tendenz, die den Film zur Kenntlichkeit entstellt: zu einer deutschen Heldensage, die keine Grautöne, keine zweifelhaften Motivlagen, keine Fragen kennt. Dass hingegen die Judenvernichtung nur im Halbsatz aufscheint, ist einer der authentischsten Momente im Film. Denn es ging ja auch den historischen Akteuren um Deutschland, um nichts sonst.

Der Film mag der Bundeswehr als Besinnungskitsch für Rekruten am Vorabend ihrer Vereidigung dienen, deren fackelbeleuchtete Stauffenbergverweise in Formen und Ritualen das Gesicht eines unheimlichen Deutschland matt erleuchten. Die Nation, so wusste schon Ranke, bedarf um Identität zu stiften, des Helden. Dieser Film passt ganz unbeabsichtigt zum neuen Deutschland und seinem Bedürfnis nach makellosen Erzählungen.