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Der rechte Konses in Saalfeld

Einleitung

Wer es nicht schon wußte, der konnte sich am 14. März 1998 erneut davon überzeugen, daß sich der rechte Konsens in Saalfeld wie ein roter Faden durch die Äußerungen und Maßnahmen des Landratsamts, der Polizeiführung, des thüringischen Innenministeriums und Teilen der Bevölkerung zieht. Schon Wochen vor der antifaschistischen Demonstration »Gegen jeden rechten Konsens«, die an diesem Tag in Saalfeld stattfand, hatten Lokalpresse in Gestalt der "Ostthüringer Zeitung" und Kommunalpolitiker Stimmung gegen das »Bündnis gegen Rechts« gemacht und einzelne Bündnis-VertreterInnen öffentlich diffamiert. Die Situation unterschied sich somit nur unwesentlich von der im Vorfeld des ersten Demonstrations-Versuches am 11. Oktober 1997 (Vgl. AIB Nr. 41).

Die NPD-Funktionäre Frank Golkowski (mitte) und Grit Ortlepp (rechts) genießen die Wohlfühlatmosphäre in Saalfeld.

Schlechte Ausgangsbedingungen

Auf Initiative eines CDU-Abgeordneten sammelten CDU, SPD und FDP einträchtig 2.500 Unterschriften von SaalfelderInnen, die den Landrat aufforderten, die antifaschistische Bündnisdemo doch - wie schon im Oktober - zu verbieten. Es ist bestimmt keine Unterstellung, wenn man davon ausgeht, daß Landrat Werner Thomas (CDU) das am liebsten auch getan hätte. Schließlich ist er Seite an Seite mit CDU-Bürgermeister Richard Beetz und Thüringens Innenminister Richard Dewes (SPD), zu dessen Wahlkreis Saalfeld gehört, einer der führenden Vertreter der »Saalfelder Linie« - verharmlosen, verbieten, verprügeln: »Saalfeld ist auch nicht anders als andere Städte in Thüringen«; »Die linke Szene in Saalfeld ist viel gewalttätiger als die rechte Szene«; »Die Demonstration heizt die Situation erst auf. Vorher gab es so hoffnungsvolle Gesprächsansätze...«; »Warum ausgerechnet Saalfeld?«. Derartige, mit Inbrunst vorgetragene Statements gehörten in den Tagen vor der Demonstration zum ständigen Repertoire von Politikern und Bürgern.

Schützenhilfe bei dem Versuch, AntifaschistInnen aus Saalfeld fernzuhalten, erhielt das Landratsamt von der Thüringer NPD. Wie bereits im Oktober 1997 meldete der thüringische NPD-Vorsitzende Frank Golkowski (Gotha) parallel zur Antifa-Demonstration einen Aufmarsch an. Golkowski gab sich keine Mühe, sein Kalkül zu verbergen: Die Antifa-Demo sollte - wie schon im Oktober - mit Hinweis auf die »Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung« verboten werden. Doch Golkowski und das eifrig mit der NPD verhandelnde Landratsamt hatten sich dieses mal verrechnet. Im Thüringer Innenministerium wollte man nach den empörten Reaktionen der Presse und Opposition auf den Polizeieinsatz und den Massenunterbindungsgewahrsam im Oktober vergangenen Jahres offenbar zumindest den Anschein der Existenz von demokratischen Grundrechten im Kreis Saalfeld wahren: Erst erlauben und dann be- und verhindern lautete deshalb die Devise aus dem Hause Dewes für den 14. März.

AntifaschistInnen unter Druck

Das Saalfelder Landratsamt behielt sich dabei einen weitgehenden Interpretationsspielraum vor, den es dann auch zugunsten der »netten, ordentlichen Jungs« von nebenan nutzte: Die NPD erhielt kurzerhand die vom antifaschistischen Bündnis angemeldete Route, während die zuerst angemeldete Antifa-Demonstration aus der Innenstadt verbannt und mit haarsträubenden Auflagen eingedeckt wurde: Keine Seitentransparente, Blöcke á 50 Metern mit zehn Metern Abstand dazwischen etc. Die Presse wurde mit ominösen Staatsschutzerkenntnissen über die Anreise »gewalttätiger linker Demonstranten« gefüttert. Kurz: Das Landratsamt tat alles, um die NPD aufzuwerten und zu legitimieren.

Da mochte Saalfelds scheidender Polizeidirektor Manfred K. natürlich nicht hinten anstehen. In Feldherrenmanier überwachte er in Etzelbach, 30 km südlich von Saalfeld, die Festnahmen von 120 AntifaschistInnen nach einem Prügel- und CS-Gaseinsatz seiner Beamten. Der stillgelegte ehemalige DDR-Knast in Unterwellenborn, in den die in Unterbindungsgewahrsam genommenen AntifaschistInnen verbracht wurden, war in Erwartung des polizeilichen Jagdeifers dieses Mal - im Gegensatz zum Oktober - vorgeheizt worden. Die 700 AntifaschistInnen, die bei Etzelbach stundenlang in ihren Bussen festgehalten und - sofern sie nicht zu den 120 Festgenommenen gehörten - gegen Abend an die Thüringer Landesgrenze zurückverbracht wurden, waren jedoch nicht die einzigen, die Saalfeld an diesem Tag nicht einmal von weitem sahen. Auch zahlreiche andere Busse wurden von der Polizei an der Fahrt nach Saalfeld gehindert.

Trotzdem waren es 3.000 DemonstrantInnen aus Gewerkschafts- und Kirchenkreisen, Antifa-Gruppen und PDS-Kreisverbänden, die sich an der antifaschistischen Bündnisdemonstration beteiligten. Sie trugen ihr Anliegen auf die Straße - zumindest soweit, wie es trotz der massiven polizeilichen Behinderungen ging. Immer wieder suchten die zahlreichen, direkt an der Demonstration eingesetzten Hundertschaften der Polizei nach Gründen, um gegen die AntifaschistInnen vorgehen zu können. Es war offensichtlich, daß die örtliche Polizeiführung und die verantwortlichen Politiker ihr im Vorfeld verbreitetes Bild bestätigt sehen wollten: Die Demonstration verbreitet nur Unruhe, Chaos und Randale, und die Polizei muß eingreifen. Ständige Provokationen von Neonazis am Rande der Demonstration lieferten der Polizei dann den händeringend gesuchten Vorwand, um dies der Öffentlichkeit vorführen zu können und die Demonstration kurzerhand weiter zu verkürzen: Durch einen Prügeleinsatz im als rechte Hochburg geltenden Stadtteil Gorndorf wurde die Demonstrationsspitze auseinandergeschlagen und die Umkehr der gesamten Demonstration erzwungen.

NPD und THS willkommen

Unbelästigt von derartigen Hindernissen konnte dagegen die NPD ihre »nationale Großkundgebung gegen linke Gewalt« durchführen. Allerdings waren dem Aufruf nur eher lächerliche 150 Neonazis aus Saalfeld und Umgebung gefolgt. Angeführt von Frank Golkowski, dem Berliner Neonazikader Frank Schwerdt, dem früheren FAP-Chef Friedhelm Busse zogen lokale Saalfelder Neonazi-Akteuren wie Marcel E., Thüringer NPD-Funktionäre wie Grit Ortlepp (Gotha) und Heinz-Hermann Kluß (Sondershausen) und vor allem jugendliche Neonaziskinheads aus Thüringen durch Saalfeld.

Auf der Abschlußkundgebung in der Saalfelder Innenstadt dankte Schwerdt dann dem führenden Kader der Thüringer "Anti-Antifa" und des "Thüringer Heimatschutzes"(THS) Tino Brandt für dessen "Koordinationsarbeiten" und Andre Kapke für seine Bemühungen um die "Logistik" des Aufmarsches. Frank Golkowski wurde nicht müde, die angebliche "Verfolgung" der 20 Mitglieder des Saalfelder NPD-Kreisverbandes unter Leitung von Thomas Sch. zu beklagen. Der Kreisverband war im Juli 1997 im Neonazi-Treffpunkt "Saaleblick" gegründet worden.

Abends traf sich dann ein Teil der jüngeren Aufmarschteilnehmer im Gorndorfer Stadtteil- und Jugendzentrum - ihrem ständigen Aufenthaltsort - wieder. Stolz wurde Journalisten erklärt, daß Interviews und Fotografieren im Stadtteilzentrum nur mit Genehmigung des Pressesprechers des "Thüringer Heimatschutz" stattfinden könnten, denn schließlich sei das Zentrum Treffpunkt der Neonazitruppe.

Was bleibt?

Eine erste Bewertung der antifaschistischen Bündnisdemonstration sollte zwischen Niederlagen, Teilerfolgen und Erfolgen differenzieren. Zu den Erfolgen gehört sicherlich, daß die Demonstration überhaupt stattgefunden hat, die große Zahl der DemoteilnehmerInnen und die Tatsache, daß sich das Bündnis trotz allen Drucks nicht spalten ließ. Durch die kontinuierliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist es zumindest außerhalb von Thüringen gelungen. Saalfeld in den Medien in der immer länger werdende Liste der »rechten Hochburgen« zu etablieren. Andererseits gelang es auch dem breiten Bündnis nicht, den politischen Druck auf die örtlichen Entscheidungsstrukturen soweit zu erhöhen, daß sie ihren Schmusekurs mit der NPD beenden oder auch nur kaschieren mußten. Eine weitere Niederlage ist sicherlich, daß es nicht möglich war, die Demonstration in gewünschter Form bis zum Ende durchzusetzen und der skandalösen Aushebelung der Grundrechte im Kreis Saalfeld politisch weitergehend etwas entgegenzusetzen.

Und auch wenn die Situation in Saalfeld eine besondere ist: Die Ereignisse am 14. März 1998 stehen ebenso wie Lübeck in einer Linie bundesweit angezogener staatlicher Repression gegen AntifaschistInnen. Die durchgesetzten polizeilichen Mittel werden voll ausgeschöpft und das Versammlungsrecht schamlos ausgehebelt. Bleibt zu hoffen, daß mit der Demonstration und den zukünftigen Aktivitäten des Saalfelder "Bündnis gegen Rechts" der Spielraum für linke und antifaschistische Gegenkultur in Saalfeld zumindest ein wenig größer wird. Das Bündnis hat jetzt schon angekündigt, zum offiziellen Antirassismusaktionstag und zum 9. November mit eigenen Veranstaltungen und Aktionen in Saalfeld präsent zu sein. Fatal wäre es, das Bündnis jetzt alleine zu lassen.