Skip to main content

Der Anti-Antifaschismus der Konservativen

Einleitung

Der „Anti-Antifaschismus“ ist auch eines der Hauptbetätigungsfelder der großen Politik geworden. Aus Angst vor einer Wahlniederlage führt die CDU/CSU ihren Wahlkampf auch mit (angeblichen) Stasi-Akten1 und versucht diverse fortschrittliche Personen mit der Stasi in Verbindung zu bringen. Zudem beschwört sie mit der Kampagne für „Innere Sicherheit“ den Ruf nach einem starken Staat. Die angeblich sich gegenseitig aufschaukelnde Gewaltspirale zwischen Neonazis und AntifaschistInnen, ist als Propaganda genauso beliebt wie die Fortsetzung der rassistischen Hatz: Die von Innenminister Kanther entdeckte Bedrohung durch »Ausländerkriminalität«.

  • 1Der DDR-Geheimdienst des Ministerium für Staatssicherheit (MfS), wurde auch als Staatssicherheitsdienst (Stasi) betitelt.
Bild: Screenshot youtube/ARD

Kreise der CDU/CSU vertreten die Agenda des Anti-Antifaschismus, wie sie von Professor Hans-Helmuth Knütter entwickelt worden ist. Der Bonner Politikprofessor hat diesen Begriff geprägt und von der 'Bundeszentrale für politische Bildung' eine Plattform zur Verfügung gestellt bekommen. Ab 1987 wurden seine Thesen kostenlos zur politischen »Bildung« versandt. Für Knütter ist Antifaschismus der Hauptfeind der Demokratie und das letzte Zugpferd eines »linken Totalitarismus«, dessen »kommunistische Untaten es nahe legen, nationalsozialistische Taten zu relativieren, und eben nicht als einmalig und unvergleichbar erscheinen zu lassen.« Dem Antifaschismus soll auch innerhalb der Konservativen, »die auf die durchsichtige Masche der Linken hereinfallen«, der Boden entzogen werden.

Die Dramaturgie entwickelt Knütter aus der Beschwörung der Gewaltspirale: »Wenn der Staat nicht effektiver [...] auftritt, und beide Seiten bekämpft, wird es in der Tat zur Destabilisierung der politischen Ordnung kommen und bürgerkriegsähnliche Zustände werden eintreten.« ("Junge Freiheit", 6/94) So klagt auch das 'Deutschland-Magazin' (7/8/1993) der rechten CDU/CSU'ler, daß »der Antifaschismus den Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums überlebt« habe »und zur gefährlichsten Triebfeder des politischen Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland zu werden« drohe.

Der Autor Wilfried Böhm (CDU) von der Deutschland-Stiftung e.V., stellt sich auch im weiteren Text als gelehriger „Knütterianer“ heraus und warnt »Medien und Politik [...] ein schiefes Bild von der wirklichen Herausforderung durch politischen Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland zu zeichnen, und damit gleichzeitig der ebenso verlogenen wie gefährlichen »antifaschistischen« Propaganda Vorschub zu leisten.« Als scheinbar wissenschaftliche Grundlagen für das Szenario mit dem Titel »Wie sich linker und rechter Terror hochschaukeln« werden die Verdrehungen des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Eckart Werthebach (CDU), angeführt. In einer Anhörung des Innenausschußes am 20. April 1993 betonte dieser, daß »Organisationsgrad, Kommunikation und Mobilisierungsvermögen bei den Linksextremisten und Autonomen nach wie vor höher seien als bei den Rechtsextremisten

Das das rechte „Deutschland-Magazin“ bei Leibe nicht alleine steht, führen Innenminister Manfred Kanther (CDU) und CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble vor. Der eine will gleich die Bundeswehr für die „Innere Sicherheit“ einsetzen, der andere malt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln den Sicherheitsnotstand an die Wand: Ob militante Serben, russische Mafia, die PKK, Linke oder Neonazis, das ist Kanther egal - Hauptsache es werden Meldungen produziert, die die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen. Zur Vermeidung eines angeblich drohenden Staatsnotstandes bietet die Bonner Regierung ihr »Gesetzespaket zur Inneren Sicherheit« an, um »mit Entschiedenheit gegen Extremismus und gegen Gewalt (zu) kämpfen.« (Wolfgang Schäuble, „Deutschland-Magazin“, 7/8/1993).

Dabei entsteht der Eindruck, daß zumindest für den Professor Knütter der Bündnischarakter des Anti-Antifaschismus von der CDU bis in die Nähe der neonazistischen FAP zu gehen scheint. Knütter selbst gilt als CDU-Anhänger und war Vertrauensdozent der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Auffällig ist, daß er seine Thesen nicht nur den Konservativen liefert, er gilt z.T. auch als eine Art  "Lehrmeister der NS-Szene" in Sachen Anti-Antifa. Bescheiden räumt auch die Redaktion des Neonazi-Heftes 'Einblick' ein, daß der Begriff nicht aus ihren Kreisen stamme.

Knütter soll zeitweilig auch eine Art Mentor des sog. »Ost-West-Arbeitskreises« an der Universität Bonn gewesen sein. Dieser betrieb »politische Bildung«, die auch von dem Kreis der FAP um Norbert Weidner und der extrem rechten Schaltstelle in Bonn, der "Initiative Gesamtdeutschland" (IG)1 , genutzt wurde. Hier referierte der in der rechten Szene gefeierte Hans-Dietrich Sander und der Geschichtsfälscher und Holocaust-Leugner David John Cawdell Irving. Nach einer Veranstaltung des Arbeitskreises mit dem Neonazi-Liedermacher Frank Rennicke waren u.a. Anhänger der „Wiking Jugend“ (WJ) und der neonazistischen FAP („Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“) in der Bonner Universität unterwegs. Es kam zum Eklat, Knütter distanzierte sich von den Neonazi-Veranstaltungen und der Arbeitskreis wurde schnellstens aufgelöst2 . Dieser Vorfall setzte Knütter massiver öffentlicher Kritik aus, es änderte jedoch nichts daran, daß die »politische Mitte«, von Kanther, Schäuble bis zu Christian Worch, mit unterschiedlichen Vorzeichen auf die Anti-Antifa-Kampagne setzen.

  • 1Seit Juli 1993 betreibt die  "Initiative Gesamtdeutschland" (IG) die "GERMANIA-Mailbox" im Thule-Netz, als "erste nationale Mailbox“.
  • 2Im lokalen Verfassungsschutzbericht wurden für die IG aufgezählt: Am 16. März 1992 eine Veranstaltung mit David Irving und am 24. Mai 1992 ein Liederabend (beide im Bonner Ortsteil Tannenbusch). Bereits Ende 1991 hatte der Funktionär der FAP (Bonn) Hans-Peter Krieger sich selbst in einem Interview als Mitglied der „Initiative Gesamtdeutschland“ vorgestellt und die beiden Veranstaltungen mit Sander und Irving benannt. Der Journalist Yaron Svoray berichtete in seinem Buch, die Veranstaltung mit David Irving sei von Andreas Jahrow und Bernd Ewald „Bela“ Althans organisiert worden. Jahrow, ein Mitglied der "Europaburschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg", habe die Veranstaltung für den „Ost-West-Arbeitskreis“ in der Universität angemeldet. Ralf K. von der „Burschenschaft Danubia München“ und dem „Sturmvogel – deutscher Jugendbund“ habe ebenfalls in der „Initiative Gesamtdeutschland“ mitgewirkt.