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Dem „Solifonds“ in der Hans-Böckler-Stiftung zum Geburtstag

Jochen Fuchs
Einleitung

Was einst gegen Militärs, Faschisten und CIA in Chile geholfen hat, das kann heute auch nicht schaden: Solidarität.

Bundesarchiv, Bild 183-M1104-0009 /CC BY-SA

Kleiner Historischer Rückblick – oder wie ist der „Solifonds“ entstanden ?

Am 11. September 1973 putschte in Chile das Militär. Faschistische Generäle beendeten damit nicht zuletzt durch Unterstützung des US-amerikanischen Geheimdienst CIA und auch im Interesse von einigen US-Konzernen eine sozialistische Umgestaltung des Landes.

Als ökonomische Dilettanten „schenkten“ sie dann den so genannten „Chicagoboys“ ein ganzes Land, in dem jene ihre neoliberalen Wirtschaftskonzepte vorexistieren konnten. Der drei Jahre zuvor demokratisch gewählte sozialistische Präsident Salvador Allende überlebte den 11. September nicht, doch er blieb nicht der Einzige, der den "Terroristen in Uniform" zum Opfer fiel.
Zu jener Zeit wurde aus den Reihen der „Stiftung Mitbestimmung“ des DGB, der Vorläuferorganisation der Hans-Böckler-Stiftung, heraus die Solidaritätsarbeit mit dem demokratischen Chile organisiert. Dem damals in einer spontanen Aktion gegründeten „Chilefonds“ kam die Aufgabe zu, die hierfür benötigten Finanzen „einzusammeln“.
Die Stipendiaten der gewerkschaftlichen Stiftung spendeten dem Fonds jeweils ein Prozent ihres Stipendiums. Die dabei zusammengekommene Summe wurde dann durch eine „institutionelle Komponente“ verdoppelt und auch die Vertrauensdozenten der Stiftung trugen zum Anwachsen des Fördertopfes ihr Scherflein bei.

Der IG Metall-Vorstand tat es ihnen gleich und durch auf Gewerkschaftslehrgängen durchgeführte Sammlungen kam zusätzlich noch ein fünfstelliger Betrag zusammen.

Als 1992 Chile wenigstens zu formaldemokratischen, um die sozialistische Komponente „bereinigten“ Verhältnisse zurück kehren durfte, hatte man eine erste Runde im antifaschistischen Kampf gewonnen.

Nicht zuletzt angesichts der Welle neonazistischer und rassistischer Gewalt in der BRD in der Zeit nach dem „Beitritt“ der DDR beschloss man, den „Chilefonds“ nicht aufzulösen, sondern umzuwidmen und ihn in Solidaritätsfonds umzubenennen. Seither werden mit den Spendengelder nicht mehr nur Projekte auf internationalen Ebene unterstützt, sondern auch Aktivitäten im Inland. Besonders antifaschistische Gruppen und Initiativen gehören seither zu den Nutznießern dieser Neuorientierung.

Das Finanzierungsmodell des Chilefonds blieb dabei erhalten. Die Stipendiaten der Hans-Böckler-Stiftung sind weiterhin gehalten, dem Solifonds ein Prozent ihres Stipendiums zu überweisen und den Vertrauensdozenten wird nahegelegt, auf ihre Aufwandsentschädigung entweder zum Teil oder aber ganz zugunsten des Fonds zu verzichten. Auch die „institutionelle Komponente“, die von gewerkschaftlicher Seite aufgebracht wird, blieb erhalten. Der Vergabekommission des Solifonds, in welcher Vertreter der Stipendiaten, der Vertrauensdozenten, des DGB und der Hans-Böckler-Stiftung sitzen, obliegt die Entscheidung über die nationalen wie die internationalen Anträge.

Solidarität und politische Arbeit im Wandel der Zeiten – Welche Auswirkungen hat dies auf den Solifonds ?

Die Erweiterung des „Einsatzgebietes“ stellt nicht die einzige Veränderung dar, die in der nun 40-jährigen Geschichte des Chile- respektive Solidaritätsfonds zu konstatieren ist.
Zum einen ist ein Abnehmen der Solidarität oder doch zumindest der Spendenfreudigkeit bei den heutigen Stipendiaten der Stiftung festzustellen. Während 1974 das „Plansoll“ zu über 75 Prozent erreicht wurde – die Stiftung hatte damals etwa 6,5 Mio. DM an Stipendien zu verteilen und die Stipendiaten spendeten über 50.000 DM – bewegt sich das Spendenaufkommen von stipendiatischer Seite absolut gesehen heute in etwa auf dem gleichen Niveau wie 1974 und dies, obwohl sowohl die Anzahl der Stipendiaten wie auch die Höhe der Stipendien seit 1974 beträchtlich gewachsen ist. Die negative Auswirkung dieser Entwicklung auf die Finanzkraft des Solifonds wird dadurch etwas gedämpft, dass die Vertrauensdozenten – von denen einige ihr erstes ‚Chile-Scherflein‘ bevor sie zu Professoren avancierten noch als Stipendiaten beigetragen haben – im Vergleich zu 1974 den etwa zehnfachen Betrag beisteuern.

Zum anderen ist, lässt man die an den Solifonds gestellten Anträge der letzten Jahre Revue passieren, eine Tendenz zur Entpolitisierung nicht zu verkennen – und dies gilt nicht nur für die Anträge, die nicht aus den Reihen der Stipendiaten gestellt werden. Zunehmend werden Mittel aus dem „BRD-Topf“ nicht mehr nur für die Unterstützung des „harten“ politischen Kampfes beantragt, sondern für Projekte, die entweder in der Grauzone zwischen Politik und Alternativkultur angesiedelt sind oder aber gar reine sozialpädagogische Fördermaßnahmen für „Mühselige und Beladene“ darstellen. Was die Inanspruchnahme des internationalistischen Fördertopfanteils anbelangt, so geht zum einen die Zahl der internationalen Anträge zurück, zum anderen kommt ein nicht geringer Teil derselben entweder ebenfalls aus sozialpädagogischen Zusammenhängen oder aber hat ein Vorhaben zum Gegenstand, das nicht als politisch im engeren Sinne bezeichnet werden kann, sondern von der Intention her problemlos auch in das Entwicklungshilfeprogramm der Bundesregierung passen würde.

Angesichts dieser Entwicklungen müssen die Aktivisten des Solifonds innerhalb der Stiftung verstärkt Überzeugungsarbeit leisten – es versteht sich selbst für viele durch ein Stipendium einer gewerkschaftlichen Stiftung privilegierte Studierende nicht mehr von selbst, einen winzigen Teil ihres Einkommens dafür zu opfern, dass die Chance der „Veränderung der Welt“ in unserem Sinne sich erhöht. Insbesondere außerhalb der Hans-Böckler-Stiftung muss es darum gehen, dass der Solifonds als ein politischer Fonds wahrgenommen und genutzt wird, politisch in dem Sinne, dass über ihn Projekte gefördert werden, die im Kampf um eine bessere Welt und um ein besseres Leben in dieser stehen – und Projekte, die sich bloß um das Lecken der von der real existierenden Welt und ihrer Ordnung geschlagenen Wunden sorgen, in aller Regel beim Solifonds nicht an der richtigen Adresse sind.

Welche Projekte wurden bspw. in letzter Zeit gefördert ?

Im vergangenen Jahr organisierten die „Kritischen Jurastudenten“ eine Veranstaltung zur NS-Wehrmachtsjustiz, die vom Solifonds materiell unterstützt wurde. Auch eine Gruppe, die sich einmal mehr gezwungen sah, gegen die Gedenkaktivitäten von Neonazis im Bad Reichenhaller Ortsteil Karlstein aktiv zu werden, wurde gefördert. Der Umstand, dass dort im Mai 1945 französischen Soldaten Mitglieder der SS-Division „Charlemagne“ erschossen, veranlasst deren braune Brüder im Geiste heute, diese mit ihren Aktionen zu ehren. Ferner wurde eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Vom rassistischen Normalzustand zum Nationalsozialistischen Untergrund“ mit einem vierstelligen Betrag bedacht und auch antifaschistisch orientierte Projekte insbesondere in der tiefen Provinz wie etwa in Limbach-Oberfrohna, Bühl, Mühlheim oder in Salzwedel erhielten eine Finanzspritze aus dem Topf des Solifonds.

Die Förderung durch den Solifonds – ein kurzer (Lehr-)Gang durch den Antragsdschungel

Einzelpersonen können ebenso wie Gruppen einen Förderantrag stellen. Im Antrag sollte der Projektträger bzw. der Antragssteller sich kurz vorstellen und das Vorhaben mit klarer Zielsetzung und Begründung detailliert beschrieben werden. Ferner wird erwartet, dass der Antrag eine Terminplanung sowie eine ausführliche Kostenaufstellung ebenso enthält wie Informationen über bereits genehmigte bzw. noch beantragte Drittmittel.

Anträge können prinzipiell das ganze Jahr über gestellt werden. Da die Sitzungen der Vergabekommission dreimal jährlich stattfinden, sollten Antragstellerinnen und Antragsteller dafür Sorge tragen, dass ihre Anträge jeweils Anfang Januar, Mai bzw. September bei der Hans-Böckler-Stiftung, Referat E (Kollege Jens Becker), Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf eintreffen.

Empfehlenswert ist es, neben der Adresse des Absenders auch noch seine Telefonnummer und E-Mailadresse mitzuteilen, so dass man im Bedarfsfall schnell rückfragen kann. Es gibt kein offizielles Antragsformular und auch keine Seitenzahlbegrenzung für Anträge, gleichwohl sind die Mitglieder der Vergabekommission dankbar, wenn ein Antrag nicht mehr als fünf Seiten umfasst. Aufgrund seines kleinen Budgets kann der Solifonds primär nur Anschub– und Teilfinanzierungen leisten. Insofern sollte gegebenenfalls auch etwas über die Perspektiven des Projekts ausgesagt werden.

Eine Dauerförderung einzelner Projekte ist nicht möglich. Gefördert werden Sach- – aber keine Personalkosten. Stipendien oder stipendienartige Leistungen sind ebenso wenig finanzierbar wie Reisekosten.

Wer den „Solifonds“ im Internet besuchen will, sei auf die Seite boeckler.de bzw. boeckler.de/98.htm verwiesen.