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Das rechte Weblog »PI News«

Einleitung

Unfassbar! Beim Weblog »Politically Incorrect« (PI) gibt man sich geschockt. »In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch«, schreibt PI, »wurde auf die Geschäftsstelle der Fraktion Pro Köln ein neuer Anschlag mit Farbbomben verübt.« Mit Farbbeuteln? Nein, mit Farbbomben. Denn schließlich hat PI denselben Hauptfeind wie Pro Köln, nämlich den Islam, und daher muss, wer Pro Köln bekleckert, ein schlimmer Attentäter sein und wirft keine Beutel, sondern Bomben. Unfassbar.

Stefan Herre, Gründer des rechten Blogs "PI News" bei einer Kundgebung 2010 in Berlin.

Gut viereinhalb Jahre ist es her, dass der Sportlehrer Stefan Herre aus Bergisch Gladbach sein Weblog PI gegründet hat. Der Name sei ein Ausdruck seiner »totalen Aversion gegen die linksideologische ›Political Correctness‹, die seit einigen Jahren in Europa Einzug gehalten hat«, schreibt Herre – und greift damit ein oft gebrauchtes rechtes Schlagwort auf. Der CDU-nahe Webaktivist hat sich ganz dem Kampf gegen den Islam verschrieben, den er mit heftigsten Beleidigungen führt, und er ist, zumindest quantitativ, recht erfolgreich: Mehr als 30.000 Besucher zählt PI jeden Tag, und damit gehört es zu den meistfrequentierten politischen Weblogs der Bundesrepublik. Das Team, das die Website betreut, besteht mittlerweile aus fünf Personen, die angeblich ehrenamtlich tätig sind. Das Projekt, dem es gelingt, zahlreiche Leserinnen und Leser zum Informationen liefern und damit zu aktiver Mitarbeit zu bewegen, macht seit einiger Zeit auch in Printmedien und im Rundfunk Schlagzeilen – wegen seiner Rechtslastigkeit.

Nach außen bemüht sich PI um einen seriösen Touch. »Proamerikanisch« will das Weblog sein – eine völlig in die Irre führende Behauptung. PI steht der imperialen Politik Washingtons nahe, die sich gerade unter der jetzt abgewählten Regierung recht weit von einigen zutiefst demokratischen Idealen entfernt hat, die die politische Kultur in den Vereinigten Staaten prägen. Er habe sein Weblog im November 2004 gegründet, weil er »dem plumpen Bush-Bashing hierzulande entgegenwirken wollte«, berichtete Herre im Juli 2007 der »Jungen Freiheit« und bekannte: »Gäbe es die deutsche Variante der amerikanischen Republicans, wäre ich (einer Parteimitgliedschaft) nicht abgeneigt.« »Als Barack Hussein Obama die Präsidentschaftswahlen gewann«, heißt es dagegen auf dem Weblog, »haben sich nicht alle bei PI gefreut.« Da wankt die Haltung von Herre, die eben nicht schlicht proamerikanisch, sondern den US-Republikanern verpflichtet ist: Allein die Hoffnung, »auch ein linksgestrickter Präsident« könne die imperiale Politik Washingtons nicht brechen, hält ihn noch bei der Stange.

Mit der US-amerikanischen Rechten teilt PI die Sympathie für besonders reaktionäre Varianten des Christentums. Verlinkt hat das Weblog nicht nur die Zeitschrift »Christliches Medienmagazin pro«, die vom »Christlichen Medienverbund KEP« – ehemals »Konferenz Evangelikaler Publizisten« –veröffentlicht wird, sondern auch die Website der evangelikalen Organisation »Christian Solidarity International« (CSI), die sich für tatsächlich oder angeblich unterdrückte Christinnen und Christen in aller Welt einsetzt. Auch die katholische Kirche wird berücksichtigt – mit einem Link zum Aachener »MM Verlag«. Dort erscheint etwa ein »Handbuch Glaube und Leben« (Herausgeber: »Referat für Ehe und Familie der Erzdiözese Salzburg«), aber auch »Der ›Fall‹ Opus Dei«. Dabei handelt es sich um ein Buch von Vittorio Messori, das als Gefälligkeitsarbeit für Opus Dei gelten kann. Opus Dei-Gründer Josemaría Escrivá war immerhin ein Freund des spanischen Faschisten Francisco Franco, seine Organisation stellte dem Regime mehrere Minister.

Bei der Verteidigung des Christentums kennt PI offenbar keine Grenzen. Nicht nur den Papst, auch die Priesterbruderschaft St. Pius X. nimmt Stefan Herres Crew nach der Aufhebung der Exkommunikation eines ihrer Bischöfe, der die Shoah geleugnet hatte, in Schutz – trotz der stark antisemitischen Positionen, die die Priesterbruderschaft auch sonst vertritt. PI hat eigens einen Beitrag aus dem Weblog Catholic Church Conservation übersetzt, in dem Michel Friedman wegen seiner Kritik an der Priesterbruderschaft zurechtgewiesen wird. »Genauso wie die Deutschen die Juden unter dem Nationalsozialismus ohne Grund angriffen«, heißt es in dem Pamphlet, »haben Sie eine Gruppe tiefgläubiger Katholiken grundlos angegriffen und beschuldigt.«

PI – laut Eigeneinschätzung »proisraelisch« – transportiert nicht nur antisemitische Statements, sondern alle möglichen rechten Stereotypen. Von grassierender »Ausländerkriminalität« ist stets die Rede; PI will sie mit der Dokumentation möglichst jeder von Nichtdeutschen begangenen Straftat nachweisen. Anlässlich des Hamburger Ehrenmord-Prozesses hieß es im Februar 2009 auf der Website: »Man muss dem eingebürgerten Clan aus Afghanistan direkt dankbar sein. Selten werden einer breiten Öffentlichkeit so klar die Folgen einer verfehlten Einwanderungspolitik vor Augen geführt.« Inhaltlicher Schwerpunkt bei PI ist jedoch stets die antiislamische Agitation. »Die Ausbreitung des Islam bedeutet ..., dass unsere Nachkommen – und wahrscheinlich schon wir selbst – aufgrund der kulturellen Expansion und der demographischen Entwicklung in zwei, drei Jahrzehnten in einer weitgehend islamisch geprägten Gesellschaftsordnung leben müssen, die sich an der Scharia und dem Koran orientiert und nicht mehr am Grundgesetz und an den Menschenrechten«, behauptet das Weblog. Ähnliche Wahnfantasien tauchen immer wieder auf, gekoppelt mit Verschwörungstheorien. So soll Bischof Williamson mit seiner Leugnung der Shoah in die Falle eines Interviewers getappt sein – und der war, jedenfalls laut PI, ein Türke muslimischen Glaubens.

PI-Gründer Stefan Herre sucht sich ganz gezielt Bündnispartner für seine Agitation – in der äußersten Rechten. Kurz nach dem Start seiner Arbeit an dem Weblog fing er an, Leserbriefe an die »Junge Freiheit« zu schreiben, bis diese ihm schließlich einen Artikel sowie ein ganzseitiges Interview einräumte. Auf PI hat Herre Links zu weiteren Rechtsaußen-Publikationen angebracht: zur »Jungen Freiheit«, zu »Gegengift«, zur »Blauen Narzisse« und zu »Eigentümlich frei«. PI verteidigt den CDU-Politiker Hinrich Rohbohm, der für die »Junge Freiheit« arbeitet, und nennt die mehr als 6.000 Neonazis, die im Februar durch Dresden marschierten, wohlwollend »friedlich«. Besondere Aufmerksamkeit widmet das Weblog Pro Köln und Pro NRW.

Spätestens hier wird die Zuarbeit von PI für die extreme Rechte praktisch relevant. Das Weblog hat über die jüngsten Kundgebungen von Pro Köln kontinuierlich und mit Sympathie berichtet und ausdrücklich um Teilnahme an den Aktionen gegen den Moscheebau in Köln-Ehrenfeld geworben. »Linksfaschisten stören Pro Köln-Veranstaltung«, hieß es nach antifaschistischen Protesten gegen die antiislamische Agitation. Der Oberbürgermeister, der sich für den Moscheebau ausspricht, wird von PI »Türkenfritz Schramma« genannt. Das Weblog entwickelt sich damit schrittweise zu einem Agitationsportal für die Politik von Pro Köln – und verschafft Manfred Rouhs, Markus Beisicht, Judith Wolter und Konsorten ein Publikum, von dem diese bislang nur träumen konnten.