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Das Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft

Einleitung

Die JN-Abspaltung und ihre Zentrale in Eschweiler

Eines der Spaltprodukte der NPD/JN ist das Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft (BDVG). Hervorgegangen aus den JN-Strukturen von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Sachsen, versuchen seine Gründer, das Konzept intensiver Mitgliederschulung fortzuführen - unter orthodox nationalsozialistischer Ausrichtung. Im Mittelpunkt steht das erste organisationseigene Schulungszentrum in Eschweiler, einer Kleinstadt im Kreis Aachen. Das von BGDV-«Bundesleiter« Achim Ezer angemietete Gebäude wurde seit 1996 von verschiedenen neofaschistischen Projekten genutzt; im Stadtteil heißt es mittlerweile »das Braune Haus«.

Bild: Marek Peters /marek-peters.com

Lars Käppler hält eine Rede bei einer Neonazi-Demonstration.

Den Anfang machte der frühere Kölner Stadtrat Manfred Rouhs (Deutsche Liga für Volk und Heimat). Von Frühjahr 1996 bis Dezember 1997 betrieb er von dort aus seinen Europa Vorn-Verlag mit angeschlossenem Versand für Gesinnungsartikel. Gemeinsam mit dem früheren JN-Bundesgeschäftsführer Sascha Wagner aus dem nahegelegenen Herzogenrath gründete er das Neonazi-Skin-Fanzin Neue Doitsche Welle und verfolgte großspurige Pläne: per Inserat wurden Handwerker für den Ausbau eines Zentrums »junger Nationalisten« gesucht. Verwirklicht wurde dies nicht. Nach einem Zerwürfnis mit seinem Vermieter Paul Nießen, einem ehemaligen Schatzmeister der Aachener NPD, zog Rouhs zurück nach Köln. Ein knappes Jahr stand das »Braune Haus« samt dazugehöriger Halle leer. Im November 1998 griffen der damalige JN-Landesvorsitzende Achim Ezer und die Landesgeschäftsführerin Nicole Römer, beide ebenfalls aus dem Raum Köln, auf die Räumlichkeiten zurück. Bis zur Spaltung der Organisation führten sie von dort aus den JN-Landesverband. Auch dessen Organ, die von Frank Amberg (Köln) redigierte Zeitung Schwarze Fahne mit obligatorischem Versand, firmierte unter der Eschweiler Adresse. Von Anfang an war das Gebäude als Standort für ein geplantes Veranstaltungs- und Schulungszentrum der JN vorgesehen. Die Renovierung der baulich maroden und nicht beheizbaren Räumlichkeiten ging jedoch eher schleppend voran. Installiert wurden eine Theke, Kraftsportgeräte und massive Gitter, die nach außen einen martialischen Eindruck vermitteln. Solchermaßen abgeschottet, stand das Haus für kleinere Treffen, Boxübungen und Proben des JN-Trommlerzuges zur Verfügung. Belegt sind außerdem ein »Juliagers« im Dezember 1998 und im folgenden Monat eine Schulung des JN-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, zu dessen Vorsitzenden mittlerweile Sascha Wagner avanciert war.

»Volksgemeinschaft im Kleinen«

Im Zuge der Spaltung gründeten JN-Kader aus NRW, Sachsen und Baden-Württemberg am 5. Juni das BDVG. »Bundesleiter« wurde Ezer, sein Stellvertreter der frühere baden-württembergische JN-Vorsitzende Lars Käppler. Das Eschweiler Haus wird als Bundessitz und Schulungszentrum angegeben; die Schwarze Fahne soll als Publikation des BDVG weitergeführt werden. Als erste und bislang einzige Regionalgliederung tritt ein über ein Postfach in Heilbronn zu erreichender Gebietsverband Süd unter der Leitung von Ralf Brunner und Stefan Zimmermann in Erscheinung. In Baden-Württemberg scheint bislang auch der Aktionsschwerpunkt des BDVG zu liegen. Mit einer Sonnenwendfeier nach nationalsozialistischem Vorbild fand einem Bericht Zimmermanns zufolge am 20./21. Juni bei Heilbronn die erste öffentliche Veranstaltung statt. Zwischen allerlei germanischem Brimborium, der Premiere eines BDVG-Fanfarenzuges und der «Feuerrede« Ezers wurden »über die erste Fahne des BDVG« hinweg die neuen Mitgliedsbücher ausgehändigt. Im August folgten Vortragsabende in Heilbronn und Ludwigshafen, auf denen Ezer und der neonazistische Verleger Gerd Sudholt redeten. Ein im Internet angekündigter Bericht über einen »Orientierungsmarsch« in NRW weist außerdem auf paramilitärische Übungen hin. Wie die Selbstinszenierung, lehnt sich auch das Programm des BDVG in Inhalt und Terminologie an den historischen Nationalsozialismus an. Das »Grundsatz-Programm« enthält in 20 Punkten alle wesentlichen Forderungen des Neonazismus. Neuere Forderungen wie die nach dem »Ende der lebensfeindlichen und menschenverachtenden multikulturellen Ideologie« werden mit traditionalistischen wie »Gesundung und Festigung des Bauerntums« verknüpft. »Auflösung dieser entwurzelten Gesellschaft und die Wiederherstellung einer wahren Volksgemeinschaft - Das ist unser Ziel!« In einer dem Programm beigefügten Selbstdarstellung grenzt sich das Bildungswerk gegenüber Wahlparteien wie der NPD ab und stellt die ursprüngliche JN-Strategie der Kaderschulung in den Vordergrund. Das BDVG erhebt den Anspruch, »die Volksgemeinschaft im Kleinen« vorzuleben. Dem entspricht auch die den Mitgliedern mit dem Eintritt abverlangte Selbstverpflichtung, den BDVG-Führen Gehorsam zu leisten. Nach dem Eintritt sollen sie durch politische und völkisch-kulturelle Schulung »in Verbindung mit politischer Aktion« zur »neuen geistigen Elite« der »Volksgemeinschaft« erzogen und auf eine »bevorstehende Zeitenwende« vorbereitet werden. Dabei fällt Schulungszentren wie dem in Eschweiler eine zentrale Rolle zu. »In ganz Deutschland« sollen entsprechende Objekte erworben werden. Erfolg oder Mißerfolg des BDVG werden davon abhängen, inwieweit es gelingt, die von einer auf Wahlerfolge hoffenden NPD/JN abgestoßenen Neonazis an sich zu binden. Davon wiederum hängt auch die Zukunft des »Braunen Hauses« in Eschweiler ab. Nur wenn es die ihm zugedachte Funktion als erstes Schulungszentrum einer bundesweit konzipierten Organisation erfüllt, wird es den nicht unerheblichen finanziellen Aufwand seiner Instandsetzung und Unterhaltung rechtfertigen.