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Das Attentat

Harry Mulisch

Das 1982 erschienene Buch »Das Attentat« von Harry Mulisch verpackt in das Genre des Kriminalromans eine packende Darstellung von Verantwortung, Widerstand, Vergangenheitsbewältigung und -aufarbeitung.

Ausgangspunkt für den symbolträchtigen Roman ist die Stadt Haarlem, in den von den Deutschen besetzten Niederlanden im Jahre 1945. Vor dem Nachbarhaus des durch das Buch führenden 12jährigen Protagonisten Anton Steenwijk wird der Kollaborateur, Faschist und Polizist Fake Ploeg von einem antifaschistischen Widerstandskommando erschossen. Die Nachbarn der Steenwijks ziehen die Leiche vor Antons Haus, die alarmierte SS stürmt das Haus der Unbeteiligten, brennt es nieder, verschleppt die Eltern und den Bruder, die noch in der Nacht zusammen mit anderen Geiseln erschossen werden.

Der einzige Überlebende Anton wird im Laufe seines Lebens in verschiedenen Episoden des Buches alle wichtigen Protagonisten der Nacht treffen – die antifaschistischen Attentäter, den Sohn des ermordeten Faschisten, der gleichsam in die politischen Fußstapfen seines Vaters getreten ist und auch die Nachbarstochter, die in der besagten Nacht die Leiche vor das Haus der Steenwijks gelegt hat. Puzzleartig wird sich nach und nach erschließen, was genau passiert ist und was die genauen und teilweise unsagbar schweren Beweggründe der einzelnen Akteure waren. Die ständige Einbettung der Erzählstruktur in politische Kategorien von Verantwortung und Gewalt im Kampf gegen die Nazis stellt hierbei den absoluten Gewinn des Buches dar. Wenn zum Beispiel die Antifaschistin und Attentäterin zur Hauptperson zum Thema Hass und Gewalt sagt: »[...] Aber darum haben wir es auch schwerer als sie. Für sie ist alles sehr einfach, aber für uns sehr kompliziert. Wir müssen ein bisschen wie sie werden, damit wir sie bekämpfen können, ein bisschen von uns selbst aufgeben.

Sie haben damit keine Schwierigkeiten, sie können uns ohne Skrupel kaputtmachen. Wir müssen erst ein bisschen von uns selbst kaputtmachen, bevor wir sie kaputtmachen können. […] Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht zu sehr so wie sie werden und uns nicht selbst kaputtmachen, denn dann hätten sie am Ende doch noch gewonnen […]«, dann ist dies auch für Antifaschistinnen und Antifaschisten im Jahr 2008 eine aktuelle Diskussion um die Verwendung von Mitteln, Ebenen und vor allem auch Gewalt.

Desweiteren lässt sich festhalten, dass vor allem die symbolbeladene Sprache dafür sorgt, Zusammenhänge zu verdeutlichen und so die Leserin und den Leser auf einzelne Aspekte gezielt hinzuweisen. Mulisch, dessen Vater selber mit den Nazis kollaborierte und damit seine jüdische Frau und den Autor selbst vor der Deportation bewahrte, schuf mit »Das Attentat« einen Roman, der nicht nur für aktive Antifaschistinnen und Antifaschisten einen großen literarischen Gewinn darstellt - aufgrund der klaren Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung, aber gleichsam auch der Pflicht zum Widerstand. Die Frage zum Beispiel, warum die Nachbarn die Leiche des getöteten Nazis gerade vor das Haus der Steenwijks legen und nicht vor das Haus der Nachbarn auf der anderen Seite, wird in diesem Zusammenhang diskutiert. (LK)

Harry Mulisch
Das Attentat
Rowohlt Tb:
Oktober 2000, 189 S.
7,95 EUR