Skip to main content

Bernau: Jugendarbeit gegen den rechten Mainstream

Jugendtreff DOSTO (Bernau)
Einleitung

Bernau - eine Kleinstadt mit 24.000 EinwohnerInnen nordöstlich von Berlin. Die Arbeitslosenquote liegt bei 24 Prozent. Ein rechter Mainstream ist hier im Alltag spürbar und sichtbar. Nationalismus, Rassismus und Homophobie gehören zum »guten Ton« unter Jugendlichen.

Rechte Cliquen bieten ideale Voraussetzungen für JN/NPD-Aktivitäten, die sich in zahllosen Parteiaufklebern und Postwurfsendungen, z.B. vom "Donner-Versand"1 und dem "Kameradschaftsbund Barnim"2 , ausdrücken.

Dennoch gibt es in Bernau im Vergleich zu anderen Städten gewisse Unterschiede. Insbesondere in der Jugendarbeit haben wir noch die Möglichkeit, auf diese Entwicklung Einfluß zu nehmen. Wir vom Jugendtreff »DOSTO« versuchen seit drei Jahren, durch Jugend- und Bildungsarbeit - ohne eine aktive Antifagruppe - antirassistische, antifaschistische und emanzipatorische Positionen einzubringen.

Seit der Veranstaltungsreihe »Am Rande des Wahnsinns« im Sommer 1993, findet jährlich ein Antifa-Straßenfest im Zentrum Bernaus statt. Organisiert wird das Fest von Jugendlichen aus unterschiedlichen Jugendeinrichtungen, und es wird von der Stadt Bernau unterstützt. In diesem Jahr fand das Fest am 10. Mai 1998 auf dem Vorplatz des »rechten« Jugendclubs statt. Sämtliche Sozialarbeiter aus den Jugendeinrichtungen - auch aus dem rechten Treff - waren an den Festvorbereitungen beteiligt. Ziel war es, zu verhindern, daß der Platz den Neonazis als Rekrutierungsfeld dienen kann.

Obwohl bei uns unterschiedliche Auffassungen über die sogenannte akzeptierende Jugendarbeit mit rechten Jugendlichen existieren, wird diese Jugendarbeit unter bestimmten Voraussetzungen als Pädagogik gegen Rechts verstanden. Sie muß politisch bestimmt werden, sonst besteht die Gefahr, daß aus einer akzeptierenden eine betreuende und somit eine unterstützende Jugendarbeit wird! Wir versuchen, diesen Ansatz kritisch zu beobachten und gegebenenfalls zu intervenieren. Aus unseren Erfahrungen plädieren wir trotzdem dafür, politische Bildung und Jugendarbeit in Jugendeinrichtungen als wichtigen Bestandteil antifaschistischer Arbeit zu betrachten. Dabei wird es unumgänglich sein, nicht nur die zu erreichen, die für neonazistische Parolen kaum anfällig sind, sondern auch die, die sich daran orientieren könnten.

Bündnisarbeit und gesellschaftliche Akzeptanz für unsere Inhalte müssen unbedingt einbezogen werden. Und dies kann durch Jugendtreffs leichter umgesetzt werden. So haben wir zum Beispiel Ende Januar 1998 eine Antifawoche in Zusammenarbeit mit zwei nicht-rechten Jugendeinrichtungen veranstaltet. Auf zwei Konzerten waren jeweils um die 180 BesucherInnen. Dieselbe Anzahl beteiligte sich auch am Fußballturnier, bei dem auch zwei rechte Teams mitspielten.

Seminare und Veranstaltungen zu Themen wie »Rechte Ökologie«, »Arbeitsmarkt und Nationalismus« etc. lockten dagegen viel weniger Interessierte an. Die Zielsetzungen waren, ein Wir-Gefühl gegen Rechts zu erzeugen, Politisierungsprozesse zu erreichen und eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Clubs voran zu treiben.

Für die Zukunft wird es entscheidend sein, soziale und kulturelle Strukturen als Voraussetzung für antifaschistische Politik zu nutzen, und in vielen ländlichen Regionen im Osten wird dies nur durch (offene) Jugendarbeit möglich sein.

  • 1Anm. AIB: Betrieben von Stephan Haase und Harald Theodor Mehr aus Lüdenscheid
  • 2Anm. AIB: Brandenburger Neonazi-Gruppierung um Gordon Reinholz von rund 30 Personen. Die Gruppe beteiligt sich bundesweit an Neonazi-Demonstrationen, gibt das Heft "Barnimer Volksruf" heraus und betreibt den "Aktion 88"-Versand