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Auf der Straße, vor Gericht: Antifa bleibt notwendig!

Solidaritätskampagne „Antifaschismus bleibt notwendig“
Einleitung

Das Urteil gegen Jo und Dy im Stuttgarter „Wasen-Verfahren“ kann als Blaupause dafür betrachtet werden, wie sehr die bundesweite Repressionsspirale gegen Antifaschist_innen von staatlichen Repressionsbehörden vorangetrieben wird.

Am 13. Oktober 2021 wurde nach über sechs Monaten und 21 Prozesstagen ein Urteil im sogenannten „Wasen-Verfahren“ vor dem Landgericht Stuttgart gefällt. Dabei wurde Jo zu 4,5 Jahren und Dy zu 5,5 Jahren Haft verurteilt. Der Richter blieb damit nur knapp unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafe. Verurteilt wurden beide wegen schwerem Landfriedensbruch sowie gemeinschaftlicher gefährlicher und schwerer Körperverletzung. Die Anklage wegen versuchten Totschlags wurde fallengelassen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Jo und Dy an einem Angriff auf Aktivisten der rechten Scheingewerkschaft „Zentrum Automobil“1 am Rande einer „Querdenken“-Kundgebung aktiv beteiligt gewesen sein sollen.

Hierbei stützt es sich ausschließlich auf Indizien, wie der Vorsitzende Richter selbst einräumen musste. Keine der Zeug_innen konnte die beiden Antifaschisten ­direkt belasten oder überhaupt identifizie­ren. Bei einem DNA-Abgleich, der die Grundlage für Jo’s Verurteilung bildet, ist eine Spurenverschleppung aufgrund unsauberer Ermittlungsarbeit nicht auszuschließen. Auch war durch die Arbeitsweise der polizeilichen Ermittlungsgruppe „Arena“ nicht mehr nachweisbar, ob die Tierabwehr­pistole, welche Dy zugeordnet wird, überhaupt jemals benutzt worden war. Die Ermittler hatten einen Testschuss abgefeuert und damit die entlastende Untersuchung unmöglich gemacht. Zuletzt stützt sich die Verurteilung von Dy auf Informationen einer Vertrauensperson des LKA2 . Bereits im laufenden Prozess erregte diese größere Aufmerksamkeit, da ihre Aussage keinerlei Gehalt hatte und sich einzig aufs Hörensagen bezog, aber dennoch die Ermittlungsgrundlage darstellte und wegen des Aussageverbots des LKA vor Gericht in keinster Weise überprüft werden konnte.

Dass es im Prozess trotz reiner Indizienlage zu einer Verurteilung kam, zeigt die Absicht der Repressionsbehörden, militanten Antifaschismus zu kriminalisieren und damit die antifaschistische Bewegung als Ganze zu schwächen. Einerseits nimmt militanter Antifaschismus den Neonazis Räume und drängt diese zurück, womit das staatliche Gewaltmonopol in Frage gestellt wird. Andererseits muss die Repression im gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden. Mit Repression gegen militante Aktionen oder auch durch Verschärfungen der Versammlungs- und Polizeigesetze reagiert der Staat auf mögliche aufkeimende Konflikte.

In Krisenzeiten verschärfen sich gesellschaftliche Widersprüche und treten offener zu Tage. Aus ihnen resultierende soziale Unruhen bieten einen Nährboden für einfache, vermeintliche Antworten von Rechts, wie bspw. bei der „Querdenken-Bewegung“ im Frühjahr 2020. Gleichzeitig besitzt militante und organisierte linke Politik das Potential, diese Unruhen zu kanalisieren und systemüberwindende Ansätze zu schaffen. Auch wenn dies für den Staat noch keine konkrete Gefahr darstellt, ist er sich dessen bewusst und reagiert präventiv. So ist es wenig verwunderlich, dass es sich der Baden-Württembergische Innenminister Thomas Strobl zur persönlichen Aufgabe gemacht hat, gegen die linke Bewegung vorzugehen und diese zu delegitimieren. Seine Drohung: „Wir kriegen euch!“ steht dabei exemplarisch für den staatlichen Verfolgungswillen.

Das Urteil gegen Jo und Dy ist noch nicht rechtskräftig, solange das Revisionsverfahren läuft. Dy muss deshalb weiterhin in Untersuchunghaft bleiben, Jo ist bis auf weiteres in Freiheit. Doch unabhängig vom endgültigen Ausgang wird die Solidaritätskampagne „Antifaschismus bleibt notwendig“ alle Betroffenen im „Wasen-Verfahren“ auch weiterhin tatkräftig unterstützen.

Zukünftigwird sich die Solidaritätskampagne „Antifaschismus bleibt notwendig“ wohl vermehrt mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie ein konstanter solidarischer Umgang mit inhaftierten Genoss_innen umzusetzen ist.

Als antifaschistische Bewegung müssen wir an den neuen Herausforderungen wachsen und diskutieren, wie eine vielfältige und solidarische Bewegung zusammenwirken kann, ohne sich spalten oder durch das Damoklesschwert langjähriger Haftstrafen einschüchtern zu lassen. Mit dem Urteil im „Wasen-Verfahren“ wurde ein Exempel an der antifaschistischen Bewegung statuiert. Umso wichtiger ist es daher, weiterhin aktiv zu sein und sich rechter und reaktionärer Politik konsequent in den Weg zu stellen.

  • 1Vgl. AIB Nr. 129 (4.2020): Gegen Corona-Leugner und „Zentrum Automobil“
  • 2https://freiheit-fuer-jo.org: "Solidarität statt Spekulation und Panik Anmerkungen zur Aussage der Vertrauensperson im Wasen-Prozess", 26. Mai 2021