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Antikommunisten haben es schwer

Wolfgang Wippermann (Gastbeitrag)
Einleitung

Antikommunisten haben es schwer. Das Objekt ihrer Begierde und ihres Hasses gibt es nämlich gar nicht. Bezeichnet das aus dem lateinischen Wort für gemein (communis) abgeleitete Wort kommunistisch doch eine Gesellschaft mit Gemeineigentum. Diese soll es in dunkler Vorzeit einmal gegeben haben und wird es vielleicht in lichter Zukunft wieder geben. Doch im Hier und Jetzt gibt es sie nicht. Kommunismus ist ein Ideal. Es exis­tiert bisher nur in der Vorstellung. Wer hat es angestrebt und zu verwirklichen gemeint?

Foto: flickr.com - human [aka] errico; /CC BY-ND 2.0

Zum einen Frühsozialisten wie Wilhelm Weitling, der einen Gleichheits-Kommunismus mit und durch eine rückwärtsgewandte Utopie verkündete. Zum anderen Karl Marx und Friedrich Engels, die eine kommunistische Zukunftsgesellschaft nach der Revolution und nach der vorübergehenden Diktatur des Proletariats erwartet haben, in der es kein Privateigentum, keine Klassen und vor allem keinen Staat mehr gibt. Auf eine weitere Beschreibung dieser kommunistischen Zukunftsgesellschaft haben sie verzichtet.

Dazu gibt es auch in den Werken der tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Marxisten keine weiteren Hinweise oder gar Anweisungen. Schon gar nicht bei Lenin, Stalin, Mao und anderen vorgeblichen Kommunis­ten. Dies mit guten oder schlechten Gründen. Denn das, was diese Herren mit dem vorgeblichen Ziel, den Kommunismus einzuführen, tatsächlich geschaffen haben, war alles andere als kommunistisch. Eigentlich das genaue Gegenteil. Bei Lenin die Diktatur einer Partei und bei Stalin und Mao die terroristische Diktatur einer Person, die sich – wie Stalin – als »woschd« (=Führer) oder – wie Mao – als »großer Steuermann« verherrlichten und verherrlichen ließen.

Dennoch wurden ihre staatssozialistischen, staatskapitalistischen und  – bei Mao – schlicht und einfach terroristischen Diktaturen von Antikommunisten als kommunistisch ausgegeben. Was für ein Unsinn! Dieser Unsinn hatte jedoch Methode und wurde mit verschiedenen antikommunistischen Ideologien, d.h. mit Begriffen und Wörtern begründet, die Geschichte beeinflusst und widergespiegelt haben und Faktoren und Indikatoren der Geschichte waren.

Die erste war eine Verschwörungs­ideologie. Sie richtete sich gegen den »Bund der Kommunisten«, wurde dann aber auch auf die SPD ausgedehnt. Auch ihr wurden »gemeingefährliche Bestrebungen« vorgeworfen. Glaubwürdig war das nicht. Die SPD war schon damals strikt reformistisch ausgerichtet und verstand sich als eine Partei, die nur auf die Revolution wartete, anstatt sie zu machen. Eine revolutionäre Einstellung wurde aber einigen ihrer jüdischen Mitglieder unterstellt. Und Juden wurden schon immer für alles Böse in der Welt verantwortlich gemacht. Daher wurde die ursprünglich nur antikommunistische mit einer antisemitischen Verschwö­rungs­ideologie verbunden.

Nach und wegen der bolschewistischen Revolution in Russland wurde daraus die Ideologie der »jüdisch-bolschewistischen Weltverschwö­rung«. Sie stand im Zentrum von Hitlers »Weltanschauung« und prägte zusammen mit einigen anderen antislavistischen, antiasiatischen, ostimperialis­tischen Ideologien sowie Geostereotypen vom »Osten« das Programm des »Dritten Reiches«, das zunächst im innen- und dann außenpolitischen Bereich exeku­tiert wurde. Letzteres vor allem durch den »Vernichtungskampf« gegen das als »jüdisch-bolschewis­tisch« angesehene Regime in Russ­land, auf dessen Kosten »Lebensraum« gewonnen werden sollte. Dies war verbrecherisch.

Dennoch wurde dieses antikommunistisch-antisemitisch-antiasiatische und ostimperialistische ideologische Konglomerat in der Bundesrepublik tra­diert, wobei nur die antisemitischen Elemente etwas abgeschwächt wurden. Der Antikommunismus selber war so etwas wie die Staatsideologie der Bundesrepublik, die sowohl ihre Außen- wie ihre Innenpolitik prägte. Im Zuge der weltweiten Entspannungs- und der innenpolitischen Reformpolitik ist es dann jedoch zu einer gewissen Abschwächung des Antikommunis­mus gekommen. Bei der Neuen Linken und generell bei Angehörigen der jüngeren Generation schien der Antikommunismus durch den Antifaschismus ersetzt worden zu sein.

Umso erstaunlicher war und ist, dass der Antikommunismus nach dem Ende des europäischen Kommunismus eine Renaissance erfuhr. Antikommunismus ist wieder »in«. Erst in der unmittelbaren Gegenwart scheint der Antikommunismus vom Antiislamismus verdrängt zu werden. Doch überwunden oder gar bewältigt ist seine Geschichte keineswegs. Auch in der Gegenwart werden Linke und Mitglieder einer Partei, die sich »Die Linke« nennt, kommunistischer Neigungen verdächtigt und kriminalisiert. Dies mit dem Hinweis auf die im Kern ebenfalls antikommunistisch geprägte und intendierte Extremismus-Ideologie.

Bewusst übersehen wird dabei, dass der Antikommunismus häufig, wenn nicht immer, mit Antisemitismus, Antislavismus und anderen Varianten des Rassismus verbunden war, weshalb er schon deshalb nicht als eine demokratische Tugend angesehen werden darf. Er ist auch nicht, wie schon Thomas Mann geurteilt hat, eine »Torheit«, er war und ist eine Gefahr, weil er von den wahren Gefahren ablenkt und ablenken soll. Und dies sind nun einmal Faschismus und Rassismus.

Daher dürfen Antifaschisten und Anti­rassisten keine Antikommunisten sein. Sie dürfen nicht in die antikommunistische Falle tappen, in dem sie Leninismus, Stalinismus, Maoismus etc. als kommunistisch ansehen oder gar verteidigen. Denn das waren diese staatssozialistischen, staatskapitalist­ischen und staatsterroristischen Erscheinungen nicht. Antifaschisten und Antirassisten sollen es den Antikommunisten nicht leichter machen. Sie haben es mit ihrer Bekämpfung von Faschismus und Rassismus schwer genug.

Wolfgang Wippermannist Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin. Im Februar 2012 erschien sein Buch: Heilige Hetzjagd. Ideologiegeschichte des Antikommunismus, Berlin 2012 (Rotbuch)