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Amerikas Rechte ist Weltmacht

Max Böhnel
Einleitung

Mit dem Wahlsieg von Donald Trump ist die autoritäre Rechte, die im „Westen“ seit Jahren an Boden gewinnt, auch im Weißen Haus angekommen. Da die US-Demokraten in den beiden Kongress-Kammern und in den Einzelstaaten ihren Einfluss verloren, droht nun der Aufbau eines monströsen Republikaner-Staates — mit „alten“ und „neuen“ Rechten in Schlüsselpositionen.

Bild: Gage Skidmore; CC BY-SA 2.0

Das politische System und der politische Prozess der USA waren schon im Vorwahlkampf von Beobachtern als „fragil“ bezeichnet worden. Angesichts des teilweise korrupten Zweiparteiensystems, das die beiden unbeliebtesten Kandidaten der US-Geschichte als einzige Wahloptionen hervorbrachte, hieß es nicht nur bei den Optimisten, die USA stünden vor den Geburtswehen zu einem ­­­neuen, demokratischen Amerika. Die alte Republikaner-Partei ("Republican Party") sei, von Trumps Vorwahlsiegen erschüttert, auf Jahre hin funktionsunfähig und der Kandidat, den sie hervorbrachte, ein Ausdruck dieses Zerfallsprozesses sowie ein politischer Witz. Bei den Demokraten ("Democratic Party") lägen dagegen Reformen nach links hin, angefeuert von der Rebellion von Bernie Sanders, im Bereich des Möglichen, ebenso wie die Re-Politisierung von Teilen der Bevölkerung, die sich schon vor langer Zeit vom politischen Prozess abgewandt hatten. Die These vom Neuen, das im absterbenden Alten enthalten sei, ging wie selbstverständlich von einem Wahlsieg von Hillary Clinton aus. Dass dagegen Trump und den Republikanern der Durchmarsch — mithilfe eines bloßen Viertels der US-Wahlberechtigten — gelingen würde, hatte keiner der Demoskopen, Wahlforscher und Politik-„Experten“ für möglich gehalten.

Einen Monat nach den Wahlen sind die Schockwellen, die das ganze Land durchzogen, noch lange nicht abgeklungen. Der Vergleich mit dem Kaninchen vor der Schlange trifft durchaus zu. Demokraten, Liberale und Linke sind fassungslos angesichts der Gefahr, welche die erneut an die Macht gelangten alten weißen Männer darstellen: für Gewerkschafts- und Bürgerrechte, für die Rechte von Frauen und LGBTI_, für die Klimaschutz- und andere soziale Bewegungen sowie für Afroamerikaner, Latinos und Einwanderer ohne Dokumente.

Der Liberale David Remnick, Redakteur des Lieblingsmagazins des aufgeklärten Bürgertums „New Yorker”, schrieb beispielsweise: „Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten ist nichts weniger als eine Tragödie für die amerikanische Republik, eine Tragödie für die Verfassung und ein (...) Ekel erregendes Ereignis für die Geschichte der USA und der liberalen Demokratie. Man kann darauf nur mit Abscheu und einer grundlegenden Angst reagieren.” Gleichwohl hält sich im liberalen Amerika der Glaube an die Unerschütterlichkeit der „checks and balances“. Egal, wie ausfallend und „radikal“ ein Kandidat im Wahlkampf war — das Amt werde ihn zum Pragmatismus zwingen. Weiter: die Mechanismen des Politikbetriebs, vom Kongress über das Oberste Gericht bis hin zu den Washingtoner Bürokraten, würden Trump auf Dauer zurechtschleifen. Und, so die Hoffnung selbst einiger dogmatischer Marxisten: „das Kapital“ würde eine Trump-Regierung seinem Verwertungsinteresse unterordnen und so vom Faschismus abbringen. Solcherlei Auffassungen sind fromme Hoffnungen — Fassungslosigkeit gepaart mit Begriffsstutzigkeit.

Denn Trump verfügt über eine Machtfülle wie kaum ein anderer US-Präsident vor ihm. Er kann sich auf republikanische Mehrheiten im Kongress stützen und zusätzlich auf potentiell unbotmäßige Abgeordnete massiv Druck ausüben. Er wurde als Außenseiter von deren Klientel gewählt, und gerade als einer, der das Ausmisten des eigenen Stalles versprochen hatte. Trump kann außerdem nach Gutdünken die Mehrheit im Obersten Gericht nach rechtsaußen verschieben, und das auf eine ganze Generation hin. Und schließlich besetzt er — und nur er — derzeit rund 4.000 frei werdende Jobs in der Washingtoner Bürokratie nach seinem Gusto, was Loyalitäten bedeutet.

Dass es Trump um einen scharfen Rechts­kurs geht, signalisierte er von Anfang an, als er Stephen "Steve" Bannon zu seinem Chefberater erklärte. Der Chef der „Alt-Right“-Webseite "Breitbart News" bzw. von "Breitbart News Network" war in der heissen Wahlkampfphase von Trump zu seinem Wahlkampfstrategen gemacht worden. Der 62-Jährige hatte an den Eliteuniversitäten Georgetown University und an der Harvard Business School studiert. Später wurde er Offizier der US-Marine und Investment-Banker für Goldman Sachs. „Breitbart News“ wurde unter Bannon zu einem Diskussionsportal von Rassisten und Verschwörungstheoretikern sowie zum Treffpunkt der „Alt-Right“-Bewegung. Wie bei den „Identitären“ in Europa wird das Konzept des Ethnopluralismus vertreten. Sowohl die weiße „Rasse“ wie auch deren „Kultur“ müssten reingehalten werden. Ein Streitpunkt in der Szene ist die Rolle von Juden. Eine Minderheit, darunter die Betreiber der Seite Steve Bannon und Andrew Breitbart, subsummieren Juden unter Weiße und damit als weitgehend „unbedenklich“, während eine Mehrzahl dem altbekannten Antisemitismus anhängt.

Der Begriff „Alternative Right” war 2008 von Richard Spencer erfunden worden – von demselben Spencer, der Mitte November 2016 mit einer Rede durch die Weltpresse ging, bei der Anhänger „Hail Trump“ und „Hail Victory“ skandierten. Spencer polemisierte gegen die amerikanische „Systempresse“ und griff dabei genüsslich auf das „deutsche Original“ (so Spencer) zurück und bezeichnete sie als „Lugenpresse“. Gefilmt wurden einige Anhänger beim Hitlergruß.1

Der Aufschrei war groß. Trump sah sich tags darauf zur Distanzierung gezwungen. Er wolle mit der Gruppierung nichts zu tun haben. Er gab sich ahnungslos, wusste dabei aber sehr wohl, mit wem er sich da auf ein Bündnis eingelassen hatte. Schon im Vorwahlkampf hatte Trump den Naiven gemimt, als sich der seit Jahrzehnten bekannte ehemalige Anführer des „Ku Klux Klans“ (KKK)2 , David Duke, hinter ihn stellte. Die „Alt-Right“-Bewegung war von Anfang an auf Trumps Zug aufgesprungen und mitgereist – als er mexikanische Einwanderer als Vergewaltiger bezeichnet, ein Einreiseverbot für Muslime und die Registrierung für Muslime in den USA verlangt, Massenabschiebungen von „kriminellen Ausländern“ vorgeschlagen und gegen „political correctness“ gewettert hatte.

Musik in den Ohren einer Bewegung, die von einem weißen Amerika träumt“, bestätigte das in Alabama beheimatete "Southern Poverty Law Center". Dem Center wurden seit den Wahlen über 1.000 rassistische und antisemitische Übergriffe gemeldet. Die Mehrzahl ereignete sich an Schulen, Universitäten und Arbeitsplätzen. Meist hätten sich die Täter direkt auf Trump oder seine Wahlkampfslogans bezogen. Die Aggressionen seiner Fans richteten sich in ihrer Mehrzahl gegen Einwanderer, Afroamerikaner, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender sowie Muslime.

Die Zahl der „Zwischenfälle” liegt mit Sicherheit noch weit höher. Dass sie allerdings wieder zurückgehen, steht vermutlich im Zusammenhang mit einer Äußerung von Donald Trump sowie — und das mag ersteimal paradox klingen — mit der Ernennung Bannons zum Chefberater. Trump hatte sich in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS direkt an seine Anhänger mit den Worten gewandt: „Hört auf damit ... Ich sage das jetzt direkt in die Kameras: hört auf damit, ... das ist schrecklich. Denn ich werde dieses Land wieder zusammenführen.“ Beobachter vermuten, dass Bannons Ernennung zum Chefberater als Signal an die Szene gilt, sich vorläufig zurückzuhalten. Nicht auszuschließen ist, dass Bannon seine Fußtruppen direkt zum taktischen Rückzug aufgefordert hat.

Schon kurz nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Trump am 21. Januar 2017 ist der erste Showdown zu befürchten: Razzien, Festnahmen und Abschiebungen von „illegalen“ undokumentierten Einwanderern. Die „Alt-Right“-Anhänger bereiten sich schon auf Jubelmärsche vor.

  • 1Anmerkung AIB: Spencer betreibt ein "National Policy Institute" welches u.a. das rechte Internetmagazin "Radix Journal" betreut. An das "National Policy Institute" ist der Verlag "Washington Summit Publishers" angeschlossen, der auch die Werke einiger rechter Theoretiker vertreibt.
  • 2Anmerkung AIB: David Duke war von 1974 bis 1978 der "Grand Wizard" (Leiter) der Organisation "Knights of the Ku Klux Klan" in Louisiana.