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50 Jahre "Landsmannschaft Ostpreußen"

Einleitung

"Richtig ist, daß Vertriebenenfunktionäre der Landsmannschaft Ostpreußen keine Verrenkungen vorgenommen haben, um sich nach rechts abzugrenzen und eine Selbstreinigung zu vollziehen, weil eine Abgrenzung nach rechts nicht notwendig ist, da sie rechtsextremistische Positionen nicht vertreten hat und nicht vertritt." Diese Passagen hätte die "Landsmannschaft Ostpreußen" (LO) gerne als Teil einer Gegendarstellung in der Frankfurter Rundschau (FR) untergebracht.

Foto: Christian Ditsch

Wilhelm von Gottberg bei der Feierlichkeit der "Landsmannschaft Ostpreußen" zu ihrem fünfzigjährigen Bestehen im Berliner Bezirksrathaus Schöneberg.

Doch dazu kam es nicht. Wie eigentlich in einer Erstsemesterveranstaltung für angehende JuristInnen zu lernen sein dürfte, war das vorangegangene Werturteil nicht gegendarstellungsfähig. Und dabei hatte die FR im wesentlichen nur berichtet, daß die LO ihren neu aufgebauten "Preußischen Mediendienst" vom ultra-rechten "Verlag Siegfried Bublies" betreuen läßt.1 Hierzu ein weiterer -ebenfalls unveröffentlichter - Punkt aus dem Gegendarstellungsbegehr der LO: »Richtig ist, daß der Verlag Siegfried Bublies nicht rechtsextrem ist.« Es wäre aus antifaschistischer Perspektive müßig, sich genauer mit einer Organisation auseinanderzusetzen, der der "Bublies-Verlag" des früheren NPD-Jugend und REP-Funktionärs Bublies nicht als »rechtsextrem« gilt, würde die LO in diesem Jahr nicht - als erste BdV-Landsmannschaft - ihren 50. Geburtstag begehen und wäre sie nicht ein Teil der bundesdeutschen Außenpolitik, die im Verborgenen abläuft.

Die "Landsmannschaft Ostpreußen"

Die "Landsmannschaft Ostpreußen" wurde 1948 gegründet und ist ordentliches Mitglied im "Bund der Vertriebenen" (BdV). Sitz ihrer Geschäftsstelle ist Hamburg. Die Führung der "Landsmannschaft Ostpreußen" (LO) liegt bei Wilhelm v. Gottberg, Wolfgang Thune und Bernd Hinz. In einer Selbstdarstellung heißt es, daß die LO der »Zusammenschluß der Ostpreußen« sei und daß sie »Ostpreußen in seiner Gesamtheit und in seinen Stadt- und Landkreisen« fortsetze. Laut Eigenangaben handelt es sich bei diesem Zusammenschluß der »Ostpreußen« um eine 500.000 Mitglieder zählende Organisation.

Die LO verfügt über Landesgruppen in allen Bundesländern. Parallel zu diesen Landesverbänden existieren noch die »Heimatkreisvereinigungen«, die analog der Städte und Kreise des ehemaligen »Ostpreußens« aufgebaut sein sollen. In der LO gibt es von diesen »Heimatkreisvereinigungen« insgesamt 40, die alle über »Patenschaftsträger« - eine bundesdeutsche Stadt -verfügen. Neben diesen Gliederungen, auf die die VVN-BdA Stade exemplarisch anhand der LO-Kreisgemeinschaft Goldap in einer Broschüre hingewiesen hat2 , steht der LO ein komplexer Vorfeldapparat für ihre Arbeit zur Verfügung.

Das "Ostheim"

Die Funktion der ideologischen und methodischen Kaderschulung erfüllt das "Ostheim". Diese sollen für den Kampf gegen »totalitäre, antireligiöse Bestrebungen« gerüstet werden, damit sie gegen die »Gegner des deutschen Rechtsanspruchs« bestehen können. Der Trägerverein Ostheim e.V. wurde 1956 in Bad Godesberg von der LO und der "Deutsch-Baltische Landsmannschaft" (die 1963 aus dem Ostheim e.V. ausgetreten ist) gegründet. Zwei Jahre später wurde das ehemalige Sanatorium Buchingen in Bad Pyrmont (Weserbergland) erworben, als "Ostheim" benannt und kurz darauf komplett in das Eigentum der LO überführt. Ende 1994 wurde der CDU-Politiker und Sprecher der LO, Wilhelm von Gottberg, auch zum 1. Vorsitzenden des Ostheim e.V. gewählt.

Das "Ostpreußische Landesmuseum"

Zudem nimmt das vom Bund und dem Land Niedersachsen finanziell geförderte "Ostpreußische Landesmuseum" (ÖL) in Lüneburg die »selbstverständliche Verpflichtung einer Kulturnation« wahr, damit »die jahrhundertelange Geschichte Ostpreußens und das aus der Region stammende Kulturgut im Bewußtsein des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes« erhalten bleibe. Nach Angaben der Bundesregierung erhielt das Museum in den vergangenen zehn Jahren fast 19 Millionen Mark aus dem Bundeshaushalt. Die Leitung des ÖL, das 1987 eröffnet wurde, obliegt Dr. Ronny Kabus. Bei der Eröffnungsveranstaltung sagte der damalige Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesinnenministerium, Dr. Horst Waffenschmidt, daß, wenn die »vielversprechenden Ansätze" des ÖL weiterentwickelt werden würden, es in Zukunft möglich sein könnte, daß man in der »ostdeutschen Kulturarbeit von einem 'Modell Ostpreußen' sprechen« werde. 1994 ging die Trägerschaft des Museums vom "Verein Ostpreußisches Jagd- und Landesmuseum e.V." auf die "Ostpreußische Kulturstiftung e.V." über. Vorsitzendes des Stiftungsrates der "Ostpreußische Kulturstiftung" ist wieder der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm von Gottberg.

Das "Kulturzentrums Ostpreußen"

Um die Arbeit der LO auf eine verwissenschaftlichte Grundlage zu stellen, wurde 1981 der Westflügel vom "Deutschordenschloß" Ellingen der LO vom Freistaat Bayern zur Verfügung gestellt. Hier befindet sich das zentrale Archiv der Organisation mit umfangreicher Bibliothek. Weitere Teile des "Kulturzentrums Ostpreußen", das von Wolfgang Freyberg geleitet wird, werden zur Präsentation von Dauer- und Wechselausstellungen genutzt. Freyberg war zuvor u.a. studentischer Geschäftsführer des Göttinger einer Art Vertriebenen-Foto-Archivs namens "Bildwerk e.V." und ist Teil der Struktur des "Ostpreußische Kulturstiftung e.V.". Immerhin tritt auch in Ellingen seit einigen Jahren die "Ostpreußische Kulturstiftung e.V." von Gottberg als (Mit)Betreiber in Erscheinung.

Die "Stiftung Ostpreußen"

Eine große Anzahl von mehr oder weniger völkischen Verbänden sind wiederum über eine "Stiftung Ostpreußen" miteinander vernetzt, die als eine Art Braintrust der LO fungiert. Zu den zwölf Stiftern sollen neben dem "Ostheim e.V." (Bad Pyrmont) und der LO (Hamburg) selbst beispielsweise die "Agnes-Miegel-Gesellschaft e. V." (Bad Nenndorf), die "PRUSSIA - Gesellschaft für Geschichte und Landeskunde Ost- und Westpreußen e.V." (Werder), die "Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen e.V." (Rückersdorf), die "Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung" (München) und der "Verein zur Erhaltung und Förderung der Zucht des Trakehner Pferdes" zählen. Jedem dieser Verbände fällt eine sehr spezifische Aufgabe im Bereich von Schulung und Betreuung der Aktivisten zu, die von religiöser Seelsorge über kulturell-historische Forschung, die deutschen Kontinuitätslinien beweisen soll und bis hin zu linguistischen Arbeitsfeldern reicht.

Die "Stiftung Ostpreußen" erfüllt die Vorfeldarbeiten, die notwendig sind, wenn sich eine Menschengruppe als nationales Konstrukt formieren und als solches agieren will. Daß dabei Kultur und insbesondere Sprache die wesentliche Rolle spielen, ist hinlänglich bekannt.3

Bezüglich der Struktur der LO sind zwei Momente wesentlich: Ihr Jugendverband, die "Junge Landsmannschaft Ostpreußen" (JLO), sowie das Organ der LO, das "Das Ostpreußenblatt" (OB).

Die "Junge Landsmannschaft Ostpreußen"

Die JLO, die im April 1991 gegründet wurde, versteht sich als »Jugendorganisation für Ostpreußen» (Potsdamer Programm der JLO). Zum Bundesvorsitzenden wurde Rüdiger Stolle gewählt, als seine Stellvertreter wurden Michael Prymelski, Michael Paulwitz und Ansgar Graw ernannt. Aktuell (Ende 1997) wurde Rene Nehring von der Berliner "Burschenschaft Gothia" zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Als neue Funktionäre im JLO-Vorstand kamen Stefan Rochow, Gunda Sievers und Christian Schaar hinzu.

Nach Aussage Wilhelm von Gottbergs sind die Sprößlinge als Teil der »Bekenntnisgeneration« zu verstehen, die sich »den an Ostpreußen gebundenen Heimatbegriff nicht nehmen« lassen wollen. Die jungen »Ostpreußen« sind jedoch mehr als nur die Erben des deutschen Volkstums. Im unregelmäßig erscheinenden JLO-Mitteilungsblatt "Fritz" finden sich neben gängigen rassistischen, völkischen und geschichtsrevisionistischen Stereotypen neue alte Qualitäten. Für die »Entwurzelung des Menschen und die ethnische Durchmengung der Völker«, die »zum Verlust traditioneller Kulturen und Werte, zu einer Form des Artensterbens in der Vielfalt der Völker, wie es ansonsten nur durch einen Atomkrieg zu erreichen gewesen wäre«, führen soll, hat die JLO einen Grund ausgemacht: die Globalisierung. Sie sei »Totalisierung" und würde den »Willen der Völker zum Objekt des kapitalistischen Schachers« machen. So weit, so völkisch. Doch hinter der Globalisierung stehe das »nomadisierende Kapital« und die »Kaste der Globalkapitalisten«, welche sich durch drei Aspekte auszeichne: »Sie ist anonym, sie ist international, und sie ist ungebunden.« Das »Globalkapital« sei im übrigen »nicht haftbar zu machen«, habe »kein Gesicht« und stehe »namenlos hinter Nummernkonten und Aktiendepots«. Außerdem habe es sich der »Kontrolle der nationalen Regierungen weitgellend entzogen«. Dieser Verrat der nationalen Ideale und der Bruch mit der völkischen Tradition wird aus JLO-Perspektive noch fortgesetzt durch die »praktische Gleichschaltung der internationalen Presse", wobei angeblich ein »weltweiter Nachrichtenmarkt das Denken der Menschheit zu einer Knetmasse in der Hand der großen Medienkonzerne« macht.

Die beiden dieser Weltverschwörungsideologie zugrundeliegenden Argumentationsmuster der finanziellen Kontrolle und der medialen Macht sind ebenso einfältig wie alt. Die »Phantasmagorie der jüdischen Weltverschwörung« (Ernst Piper) bedarf - wie der Antisemitismus im allgemeinen - nicht der Juden. Vielmehr stellt die Zusammensetzung aus nationalem Identitätswahn und aus der Angst entstammendem Haß eine Basis dar, von der aus sich der der Latenzform entwindende Antisemitismus wieder wird erheben können zum allgemeinverbindlichen, gesamtgesellschaftlichen Konsens.

Nach dem rassistischen Brandanschlag Ende Mai 1993 in Solingen hatte die JLO auch schon gegen die »Mediokraten, die Machthaber über Funk und Fernsehen«, gehetzt, weil diese ihre »politischen Gegner als Schuldige« (d.h. die Neonazis; d. Red.) hätten präsentieren wollen. »Zu allem Überfluß« habe sich auch der »jüdische Vergangenheitsbeschwörer Giordano« zu Wort gemeldet und dabei »eindeutig den Jordan der Gewaltlosigkeit« überschritten.4

Im "Fritz" kann man aber auch Sätze wie den folgenden lesen: »(...) wenn man die Erfolge des Dritten Reiches (z.B. die Wiederherstellung des Selbstwertgefühls des Volkes nach der Demütigung durch Versailles oder auch einfach nur 'die gute Autobahn') auf ewig negiert, wenn man alles von vornherein negativ betrachtet und dabei nie versucht, sich m die Lage der Menschen von damals zu versetzen, dann wird man auch nie verstehen, warum Millionen Deutsche ihrem Führer bis zuletzt gefolgt sind«. Daß es in der Ideologie und ihrer symbolischen Aufbereitung für die "Junge Landsmannschaft Ostpreußen" kaum politische Schmerzgrenzen gibt, beweist ihr Logo. Neben schwarzem Adler und Organisationseigenbezeichnung gehört zu ihm noch eine weitere Aussage: »Suum cuique!« - zu deutsch: »Jedem das Seine«. Am Tor des Konzentrationslagers Buchenwald stand nichts anderes.

»Das Ostpreußenblatt«

»Das 'Ostpreußenblatt' ist auf dem Wege zu einer großen überregionalen konservativen Wochenzeitung« stellte Hans Becker von Sothen glücklich in einer Besprechung des "Ostpreußenblattes" in der völkisch-nationalistischen Wochenzeitung "Junge Freiheit" (JF) Mitte letzten Jahres fest. Er selbst soll (deswegen) dabei sein, von der JF zum "Ostpreußenblatt" (OP) zu wechseln. Der frühere Göttinger Buchhändler Hans Becker von Sothen (Mitglied des "Corps Hildeso-Guestphalia") hat recht: Das »Das Ostpreußenblatt« 5 ist eines der zentralen Periodika der (extremen) Rechten geworden und auf dem besten Weg, der JF den Rang abzulaufen. Auf diese Tendenz hat jüngst auch einer der antifaschistischen Experten zur JF, Alfred Schobert, hingewiesen.6

1997 hat Elimar Schubbe seinen Vorgönger Horst Stein (ehem. "Die Welt"-Redaktion) als Chefredakteur des "Ostpreußenblattes" abgelöst. Schubbe war zuvor Chefredakteur bei der rechten Zeitung "Deutschland-Magazin" gewesen und betrieb die Firma "Tele-Control", mit dem er "linke Programme" in Funk und Fernsehen enttarnen wollte.

Heute, nach dem Ende von »Stalinismus« und »Hitlerismus«, so das "Ostpreußenblatt", gelte es »die Fragen von Identität, Nation, sozialer Sicherung, Gemeinschaft und Individualität« neu zu beantworten. Hierzu sollen die »Fundamente des völkischen Zusammenlebens« gesichert werden, zu denen »ganz bestimmte Grundbegriffe, wie Eine, Anstand, Sitte, Treue und Redlichkeit« gehören. Desweiteren heißt es im LO-Organ, daß »im Volk und in der Sprache des Volkes der Mensch am unmittelbarsten angesprochen« werde. Schlußfolgerung: »Das Volk kann daher als 'Heimat' des Menschen gedeutet werden.« Klar, daß das »immer auch ein Sich-gegen-andere-Behaupten« miteinschließt. Und deshalb kämpft das "Ostpreußenblatt" auch gegen »eine Propaganda für unbeschränkte Einwanderung fremder Völkerschaften«. Denn: »Die meisten Einwanderer besitzen kulturell und verhaltensmäßig nicht die Voraussetzungen, um irgendwann deutsch zu werden, entstammen sie doch einem völlig an deren Kulturkreis. (...) Deshalb können wir uns einer Auseinandersetzung mit den Einflüssen, die unsere Kultur und damit unsere Identität bedrohen, nicht entziehen.« Es sei aber auch so, daß »die verwirrten Deutschen von heute« sich »moralisch« auf »alles mögliche« verpflichten lassen würden, allerdings nicht »auf die Pflege der Erinnerung an die Leiden des eigenen Volkes«. Nicht nur, daß es einige Menschen gibt, die die Verwendung des Begriffes Vertreibung in bezug auf die Umsiedlung der Volks- und Grenzlandsdeutschen infolge des Nationalsozialismus für revisionistisch und Teil einer völkischen Propaganda halten, nein - auch mit der deutschen Sprache, dem »Garant des deutschen Volkstums«, sieht es laut OB schlecht aus: »Diese natürliche Ordnung - jedem Volk seine ihm eigene und gemäße Sprache - und damit ein unermeßlicher kultureller Reichtum der Erde, steht heute auf dem Spiel. (...) Immer mehr Völker erkennen diese Gefahr und ergreifen Maßnahmen gegen diese Bedrohung ihrer Identität. Nur die deutschen scheinen eine Ausnahme machen zu wollen.« (Fehler i. Orig.) Ein perspektivisches Konzept, das auch im "Ostpreußenblatt" intensiv diskutiert wird, ist die »geopolitische Orientierung«. Im Klartext wird ein regionalistisches bzw. völkisches Konzept des Partikularismus propagiert: »Mit den Russen könnten wir heute (...) auch über Kooperation im nördlichen Ostpreußen sprechen, über wirtschaftliche Hilfen, über Maßnahmen zu Schutz, Erhalt und Pflege deutscher Kulturgüter

Zurück in der Heimat

Um das Ziel der deutschen Hegemonie durchzusetzen, wird das Selbstbestimmungs- und Heimatrecht der deutschen Minderheiten eingefordert. Hierzu dienen im Wesentlichen zwei Konzepte: das des völkischen und das des regionalistischen Partikularismus.

Das Erstgenannte ist ein direkt deutschbestimmtes, das Zweite eines, das mittelbar deutscher Politik zugutekommt. Beiden gemein ist die Parzellierung von nicht unter deutscher Verwaltung stehenden Gebieten. Während die völkische Variante darum bemüht ist, historische und kulturelle Linien deutscher Identität zu erdenken, die den Vorstellungen von kultureller Hegemonie und ökonomischer Abhängigkeit dienen, geht die zweite staatlich-territorial orientiert vor. Hier besteht die Prämisse im politischen Autonomieprinzip, also der faktischen Abtrennung von einzelnen Regionen aus einem Nationalstaat (z.B. Baskenland von Spanien), was wiederum zur Schwächung desselben und zu weltpolitischer Irrelevanz führt.

Während durch die Umsetzung von regionalistischen Prinzipien die politische und militärische Potenz deutscher Antipode zunichte gemacht wird, erstellt die völkische Einflußnahme kulturell-sprachliche Hoheiten, die die parzellierten Gebiete Deutschland zur ökonomisch freien Verfügung stellen. Militärische Landnahme wird so überflüssig, weil jedem die Wahl seiner »Heimat« frei steht, zumindest so lange, wie ihm die de facto-Kontrolle der Territorien obliegt. Anders ausgedrückt: so es sich um Deutschland handelt.

Der komplexe völkische Apparat der "Landsmannschaft Ostpreußen" ließe sich - ebenso wie die gesamte Organisation des "Bundes der Vertriebenen" - nicht ohne die Finanzierung aus dem Bundeshaushalt aufrecht erhalten: Der BdV erhält jährlich um die 3,5 Millionen Mark an institutioneller Förderung; die "Landsmannschaft Ostpreußen" ca. eine halbe Million Mark.

Hinzu kommen noch Millionenbeträge für die Förderung von einzelnen Projekten. Neben den direkten Mitteln für den BdV findet sich die Bundesregierung noch zu weiteren völkisch-nationalen Taten bereit: So hat zum Beispiel das Bundesinnenministerium von 1990 bis 1997 für die »deutsche Minderheit« in Polen über 175 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Mit dem Geld wurde vor allem die Förderung der deutschen Sprache finanziert.

Völkische Wühlarbeit

Auch die LO ist im ehemaligen Ostpreußen sehr aktiv. Beispielsweise baut die "Junge Landsmannschaft Ostpreußen" ein Haus »in Ostpreußen«, das vor allem als deutsche Sprachschule dienen soll (andererseits ist die JLO aber auch darum bemüht, einen »ostpreußischen Vertriebenenwald« im Großraum Hannover anläßlich der Weltausstellung EXPO im Jahr 2000 zu errichten). Mehrere Landwirte aus Schleswig-Holstein haben bei Tschernjachowsk (Kaliningrad) 400 Hektar Land gepachtet. Der Verein "Partnerschaft Ostpreußen e.V." (Heppenheim) um Hans-Ulrich Karalus unterhält mit Unterstützung der »Kreisgemeinschaft Labiau in der Landsmannschaft Ostpreußen« (St. Michaelisdonn) im Großraum Polessk einen holzverarbeitenden Betrieb. Die "Arbeitsgemeinschaft Nord-Ostpreußen" (AGNO), ein Zusammenschluß von 19 Organisationen - darunter zehn LO-Kreisgemeinschaften, der "Verein Gedenkstätten Königsberg" und der "Verein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Trakehnen" - koordiniert zahlreiche »Germanisierungsprojekte«, zum Beispiel Deutschunterricht im Kaliningradskaja Oblast7 .

Eine der Organisationen, die die Politik der kleinen Schritte vor Ort umzusetzen sucht, ist auch die "Ostpreußischen Landesvertretung" (OLV), ein Zusammenschluß von Vertretern der »Heimatkreisvertretungen« der "Landsmannschaft Ostpreußen" und Delegierten der LO-Landesgruppen. Die "Ostpreußische Landesvertretung" gilt als das "obersten Beschlußorgans der Ostpreußen". Es handelt sich bei dieser Vereinigung um eine Art von der LO organisierte deutsche Exilregierung. Auf der Tagung der OLV Ende November letzten Jahres in Bremen wies Wilhelm von Gottberg darauf hin, daß »die materielle Unterstützung der Bevölkerung durch die Heimatkreisgemeinschaften und diverse andere Organisationen« Früchte trage. Von Gottberg faßte die Situation vor der OLV treffend zusammen: »Das Königsberger Gebiet hängt am Tropf der Bundesrepublik". Weiter führte er aus: »Im Rahmen der bevorstehenden Ost-Erweiterung der EU wird dein Königsberger Gebiet eine Brückenfunktion zwischen Ost und West zukommen. Deshalb ist es für die Ostpreußen wichtig, auf unterer Ebene Kontakte zu knüpfen und auszubauen; und mit der Unterstützung für Rußlanddeutsche und Russen Freunde zu gewinnen, die wir vielleicht noch einmal brauchen werden

Im Juli dieses Jahres ist es dann für die Landsmannschaft Ostpreußen soweit: Ihre Jubiläumsfeierlichkeiten finden in Berlin statt, der ehemaligen Reichshauptstadt. Die LO ist zurück in der Heimat - vorerst noch ideologisch.

  • 1Vgl. Salzborn, Samuel: Rechts(d)ruck bei den Ostpreußen - Landsmannschaft beschäftigt deutsch-nationalen Verlag, in: Frankfurter Rundschau vom 16. Januar 1998
  • 2Vgl. VVN-BdA Stade: Revanchistische Patenschaften kündigen. Die Kreisgemeinschaft Goldap, die Landsmannschaft Ostpreußen und der deutsche Revanchismus, Stade 1997
  • 3Vgl. Anderson, Benedict: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Frankfurt a.M. / New York 1996; Hobsbawm, Eric J.: Nationen und Nationalismus, Mythos und Realität seit 1780, München 1996
  • 4Zum Antisemitismus der JLO vgl. Salzborn, Samuel: Königsberger Klops - Wie die Bundesregierung revanchistische Propaganda finanziert, in: Allgemeine Jüdische Wochenzeitung vom 8. Januar 1998
  • 5Vgl. zum »Ostpreußenblatt«: Bündnis Keinen Fußbreit den Faschisten: Das Ostpreußenblatt, in: dass. (Hg.), Antifaschistische Informationen - Rechte Organisationen in Hamburg, Hamburg 1995; Büro Ulla Jelpke: Das »Ostpreußenblatt« - Leugnung der Shoah und polenfeindliche Tiraden, in: ak vom 6. Juli 1994; BT-Drs. 12/8042 (Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke: Das »Ostpreußenblatt- und der Rechtsextremismus I I ) und BT-Drs. 12/8362 (Antwort der Bundesregierung); Salzborn, Samuel: Konkurrenz für die Junge Freiheit, in: Jungle World vom 19. März 1998
  • 6DRR Mai/Juni 1998, Nr. 52
  • 7zur AGNO vgl. AIB Nr. 42