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1999: Landtagswahlen in Sachsen

Einleitung

»Unsere Bilanz sieht sehr gut aus« so Fritz Hähle, Landesvorsitzender und Fraktionschef der CDU in Sachsen, im Interview mit der rechten Zeitung "Junge Freiheit" im August 1999. Eine deutliche Mehrheit der wahlberechtigten Sächsinnen und Sachsen sah das am 19. September 1999 bei der Landtagswahl genauso. Zwar verlor die CDU 1,2 Prozent, aufgrund der höheren Wahlbeteiligung bedeutet dies aber einen Zuwachs von ca. 30.000 Stimmen. Sie verteidigte ihre absolute Mehrheit mit 56,9 Prozent gefolgt von der PDS mit 22,2 Prozent. Die SPD fuhr mit 10,7 Prozent ihr schlechtestes Landtagswahlergebnis ihrer Geschichte ein und lag damit satte 46 Prozent hinter der CDU. Rechte Parteien erhielten zusammen 5,0 Prozent der Stimmen, daß heißt rund 100.000 BürgerInnen wählten noch rechter als CDU. Die Partei "Pro Deutsche Mitte – Initiative Pro D-Mark" ("Pro DM"), "Die Republikaner" und NPD nahmen sich gegenseitig die Stimmen weg und keine zog in das Landesparlament ein. Das ist das -aus antifaschistischer Sicht - einzige erfreuliche Ergebnis dieser Landtagswahl. Denn an absoluten Stimmen konnten alle drei im Vergleich zu den Europawahlen im Juni bzw. den letzten Landtagswahlen 1994 zulegen.

Die sächsischen NPD-Kader Matthias Paul (links) und Jürgen Schön (rechts).

Rechts von der CDU

Bei den "Die Republikanern" kann durchaus von einer Stammwählerschaft gesprochen werden. Die Partei des Multimillionärs Bolko Hoffmann "Pro DM" um ihren Spitzenkandidaten Dieter Annies (ehem. FDP) wurde nicht zuletzt durch die Materialschlacht, die an Wahlkämpfe DVU in anderen ostdeutschen Bundesländern der letzten Monate erinnerte, mit 2,1 Prozent stärkste der Rechtsparteien.

Die sächsische NPD

1990 entstand der "NPD Landesverband Sachsen" unter der Leitung von Jürgen Schön und Karl-Josef Künast und hatte seinen Sitz in Leipzig. Mittlerweile wird die sächsische NPD von einer Reihe aktiver Funktionäre wie Jürgen Schön, Matthias Paul, Helmut Herrmann, Peter Söffner und Dirk Amende angeführt. Dirk Amende dürfte langjährige AIB-LeserInnen noch als Funktionär (stellv. Landesvorsitzender und Schatzmeister) der sächsischen FAP bekannt sein.

Die NPD führte, wie bereits auf dem Bundesparteitag in Mulda anfang diesen Jahres angekündigt, ihren Schwerpunktwahlkampf in Sachsen durch. Die sächsischen Landtagswahlen im September 1999 waren bereits im Oktober 1997 durch den "NPD-Bundeshauptausschuß" zu einer Schwerpunktwahl der Partei erklärt worden.Im Gegensatz zur Kommunalwahl gelang es ihr diesmal in ganz Sachsen mit Infoständen, Postwurfsendungen und Plakaten präsent zu sein. Dennoch verfehlte sie ihr selbstgestecktes Wahlziel, den Einzug in einen Landtag, mit 1,4 Prozent deutlich.

Obwohl im Gegensatz zu Brandenburg oder Thüringen auf die »abschreckenden« Aufmärsche völlig verzichtet wurde, gelang es ihr, von ihren Hochburgen einmal abgesehen, nicht in das bürgerliche Lager einzubrechen. Das liegt vor allem daran, daß zwar der »sozialistische« Flügel mit denen sie dort Stimmen gewinnen könnten, innerhalb der NPD langsam die theoretische Führung übernimmt, dieses Thema im Wahlkampf aber eine untergeordnete Rolle spielte. Das ist vor allem damit zu erklären, daß die Strukturen in der Partei einfach zu langsam sind, um auf die neuen Verhältnisse reagieren zu können. Die Partei war im Wahlkampf kaum fähig die Ausfälle der letzten Wochen und Monate zu verkraften. Sowohl der bereits im AIB Nr. 48 geschilderte Streit innerhalb der NPD-Jugendorganisation als auch die Diskrepanzen zwischen der Führungsebene der sächsischen NPD und ihrer jugendlichen Basis wirkten sich auf den Wahlkampf aus. Auch wird dem neuen "DDR-freundlichen" NPD-Kurs außerhalb von Sachsen und Mecklenburg mit Distanz begegnet. Dadurch sind einige Akteure dieses Kurses z.T. innerhalb der Bundes-NPD isoliert. Als Vertreter des "neuen" bzw. "sozialistischen" Kurses innerhalb der NPD gelten u.a. der sächsische NPD-Landeschef Winfried Petzold, der sächsische NPD-Kader Jürgen Schön, die Schriftleiterin der NPD-„Sachsen-Stimme“ Ursula Mann und die sächsischen NPD-Funktionäre Bernd Grett und Gregor Janik (ehem. Beisitzer NPD-Bundesvorstand).

Ihre Hochburgen hat die Partei wie bei den Bundestagswahlen 1998 und den Kommunalwahlen im Juni 1999 im Raum Sächsische Schweiz. Hier ist die NPD in zwei Kommunalparlamenten und im Kreistag vertreten und gilt als anerkannte Kraft. Im Stadtrat von Sebnitz hat sie mit der DSU und der FDP eine Koalition gebildet. Es ist nicht überraschend, daß sie in einigen Ortschaften die SPD auf den vierten Platz verdrängt hat. Spitzenreiter, wie bei den letzten Wahlen, ist der Kurort Rathen. Hier brachte es der Direktkandidat Johannes Müller, Kreistagsabgeordneter und Stadtrat von Sebnitz, auf 13 Prozent. Die NPD erhielt mit 10,4 Prozent mehr Zweitstimmen als SPD und Bündnis90/Die Grünen zusammen. Dennoch stellt sich die Frage, wo und wie sich die NPD in nächster Zeit hinwenden wird.

Radikalisierung an der Basis

Es gibt einerseits einen klaren Trend innerhalb der jugendlichen Basis, der weg von der Partei hin zur "Autonomen Kameradschaften" führt. Diese Radikalisierung ist bereits jetzt in vielen Gebieten zu spüren. So nahmen im Bereich der Polizeidirektion Görlitz die Körperverletzungsdelikte um 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Allein im Monat September kam es am Rande von Stadtfesten zu mehr als einem Dutzend Körperverletzungen. Die Opfer wurden teilweise mit einer Pistole bedroht, einer erlitt schwere Kopfverletzungen und einen Herzstillstand, daß er nur durch eine zufällig anwesende Person wiederbelebt werden konnte. Die Täter sind allesamt in der rechtsradikalen Szene im Raum Zittau/Löbau zu finden. Für die NPD bedeutet dies vor allem ein Wegbruch der jugendlichen Basis. So richtig traurig ist darüber aber zumindest in der Führungsebene niemand mehr. Denn vor allem diese "Stiefelnazis" bereiteten der Partei in letzter Zeit immer mehr Kopfzerbrechen. Um im bürgerlichen Klientel etwas bewegen zu können, muß die NPD weg von ihrem Gewaltimage, welches vor allem durch die junge "Glatzenbasis" geschaffen wurde. Inzwischen wird sogar von einem positiven Selbstreinigungsprozeß gesprochen. Für die Zukunft wir das bedeuten, daß sich die NPD, wie jetzt schon am Beispiel Sächsische Schweiz vorbildlich demonstriert, selbst ein Saubermannimage gibt, aber einen regen Kontakt zu den Kameradschaften aufrecht erhält und diese die »Drecksarbeit« machen läßt. So sollen NPD-Aktivisten laut Augenzeugen-Berichten im Wahlkampf Feuerzeuge an rechts aussehende Jugendliche mit der Bemerkung verschenkt haben: »Hier, für's nächste Asylantenheim!«. Die nächsten Monate werden zeigen, wie es der NPD gelingt von einer kommunalpolitischen Ebene aus Einfluß zu gewinnen. Hier wird wieder auf Sachsen geblickt werden, »Je mehr sich Patrioten bewußt werden, daß es nicht allein genügt national zu sein, sondern daß man auch auf sozialem Gebiet mit Hand anlegt, um so eher besteht die Chance, Deutschlands Jugend völlig für sich zu gewinnen.« steht dann auch in einem Kommentar zur Sachsenwahl im Internet. Es ist bereits zu beobachten, wie einzelne NPD Mitglieder beginnen, eine Betreuung von sozial Schwachen aufzubauen.

Fazit

Langfristig stellt sich aber die Frage ob dies Auswirkungen über die Kommunalebene hinaus haben wird. Gerade in Sachsen ist es für alle rechten Parteien schwer »klassische« Themen zu besetzen. Unterscheiden sich doch die Statements der CDU zur Inneren Sicherheit, der Asylpolitik vor allem aber sogenannter Grundwerte wie Ordnung und Sauberkeit nur geringfügig. Schlußendlich ist im Osten der Bundesrepublik und insbesondere in Sachsen zu verzeichnen, daß Landtagswahlen vor allen Dingen Personenwahlen sind. Immerhin 81 Prozent hätten Kurt Biedenkopf direkt zum Ministerpräsident gewählt, wenn sie denn die Möglichkeit bekommen hätten. Hier stellt sich nur eine interessante Frage: Was kommt nach König Kurt?