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… scheiden tut weh? Interview mit der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB)

Einleitung

Die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) hat sich im Februar 2003 aufgelöst, zu ihrem Selbstverständnis gehörte neben »Bündnisfähigkeit« und wahrnehmbaren Aktionismus das Konzept eines revolutionären - kapitalismuskritischen - Antifaschismus. Nun gibt es stattdessen die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) und die Kritik & Praxis - Berlin (KP-Berlin). Wir sprachen mit beiden neuen Gruppen über Sinn und Zweck dieser Trennung.

Bild: attenzione-photo.com

AIB: Was war ausschlaggebend für die Auflösung der AAB? Waren es die Diskussionen oder das Fehlen von Diskussionen, welche dazu führten?

Die Trennung der Gruppe war das Ergebnis einer Entwicklung, die etwa mit der Auflösung der AA/BO begann. Hintergrund war hierbei die Frage nach der gesellschaftlichen Intervention. Konkret: ist es notwendig, zunächst ein ausgefeiltes, bis ins Detail genaues Programm zu erstellen und dabei den Aufbau einer linken Bewegung zurückzustellen oder – wie wir es vorhaben – im Rahmen einer aktionistischen Politik als Bewegungslinke Konzepte und Grundlagen zu erarbeiten, zu überprüfen und gegebenenfalls zu erneuern? Während wir uns zum Beispiel als Teil der globalisierungskritischen Bewegung verorten und uns hierbei um eine linksradikale Perspektive bemühten, bevorzugte ein Teil der Gruppe eine abwartende bis distanzierte Haltung mit der Aufgabe, die linken Akteure zu kritisieren oder gleich die ganze Bewegung als reformistisch oder reaktionär zu diffamieren.

AIB: Waren die Gegensätze zwischen den Flügeln denn tatsächlich unüberbrückbar? Differenzen können ja auch produktiv sein...

Die »Gegensätze« waren zumindest so groß, dass sich ein nicht unbedeutender Teil der ex-AAB für eine Trennung ausgesprochen hat. Gegensätze sind generell auch nur dann produktiv, wenn sich die Beteiligten nicht grundlegend widersprechen. Für uns als der Teil, der die meisten Projekte der letzten Jahre praktisch umgesetzt hat, war es nicht ausreichend, wenn die Analyse der abzuschaffenden Verhältnisse identisch war, aber völlig verschiedene Schlussfolgerungen daraus gezogen wurden. Primat unserer Politik ist auch weiterhin, die Linke zu stärken, Impulse zu geben und die Wahrnehmbarkeit für linksradikale Standpunkte in der Gesellschaft und in sozialen Kämpfen, die nicht unbedingt einen antikapitalistischen Ansatz haben, zu gewährleisten. Wenn man als Gruppe öffentlich wahrnehmbar sein und eingreifen möchte, reicht eine kommentierende Haltung eben nicht aus bzw. führt zwangsläufig zu »Gegensätzen«, die besser getrennt von einander organisiert sein sollten. Im Interesse beider beteiligten Seiten.

AIB: Wenn das Konzept des revolutionären Antifaschismus, als Hebel zur Kapitali­smuskritik, durch die ebenfalls kapitalismuskritische so genannte Antiglobalisie­rungs­bewegung an Bedeutung verliert – welche Rolle spielt dann noch Antifa-Arbeit im Sinne einer Anti-Nazi-Arbeit?

Wie man an unserem Namen »Antifaschistische Linke Berlin« bereits erkennen kann, wird das Themenfeld Antifaschismus auch weiterhin zentrales Element unser politischen Arbeit sein. Am 1. Mai haben wir uns zum Beispiel stark im »Bündnis gemeinsam gegen Rechts« engagiert und mit eigenen Plakaten gegen den Nazi-Aufmarsch mobilisiert. Mitte Juni haben wir uns dann an der Aktion gegen den Neonazi-Aufmarsch in Hannover beteiligt. Nicht zuletzt weil der »Aufstand der Anständigen« wirkungslos verpufft ist, sollte die Anti-Nazi-Arbeit für linksradikale Gruppen auch weiterhin ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Dabei ist gerade auch für Jugendliche der Kampf gegen Neonazis wichtig, weil sie es sind, die mit Aufnähern und Ansteckern rumlaufen und dann konfrontativ mit Nazis zusammenstoßen. Die größten linksradikalen Demonstrationen (neben der Luxemburg-Liebknecht-Demo und dem 1. Mai) finden zudem immer noch zum Thema Antifaschismus statt. Anzustreben ist für uns als ALB allerdings, sich mehr in angrenzenden Politikfeldern wie Antirassismus oder dem Kampf gegen Antisemitismus zu engagieren.

AIB: Die Frage wie stark mensch in seiner politischen Arbeit innerlinke Diskussionen und Kritik und/oder den eigenen Aktionismus gewichtet, beschäftigte ja nicht nur die ex-AAB. Hat Euch als »AktionistInnen« die Tren­nung nach vorn gebracht?

Es ist nach vier Monaten noch nicht abschließend zu sagen, ob uns die Trennung »nach vorn gebracht« hat. Wir konnten jedoch zum Beispiel im Zuge der Tag-X-Mobilisierung gegen den Irak-Krieg feststellen, dass wir unsere ganze Kraft auf die inhaltliche und praktische Ausrichtung der konkreten Aktionen verwenden konnten. Wir hatten dafür als Ausgangspunkt eine klare antimilitaristische Position, während eben andere noch darüber diskutierten, ob der Krieg überhaupt abzulehnen sei. Traurigerweise führen innerhalb der radikalen Linken Diskussionen über die Neube­stimmung der eigenen Politik fast immer zur Auflösung oder Spaltung.

AIB: Mit welcher Strategie sollte auf gesellschaftliche Veränderung adäquat reagiert werden? Die ALB will ja aus ihrer Praxis eine inhaltliche Weiterentwicklung erreichen, was andere als blinden Aktionismus sehen. Warum so und nicht andersherum?

Dieser Streitpunkt ist so alt wie die Linke selber: soll zuerst ein allumfassendes Programm erarbeitet werden, oder sollen sich auf Basis eines antikapitalistischen Grundverständnisses aus der Praxis weiterführende Positionen ergeben? Gruppen wie die Autonome Antifa [M] haben Anfang der 90er Jahre nicht nur wegen ihrer eindeutigen Positionsbestimmung für so viel Wirbel gesorgt, sondern vor allem weil sie ihre inhaltlichen Überlegungen und inhaltlichen Anliegen wirkungsvoll auf die Straße getragen und so für Orientierung, aber auch für Reibefläche und Diskussionen gesorgt haben. Und schon waren sie Teil einer ausführlichen Debatte um linksradikale Politik, um Neugestaltung von Konzepten und Perspektiven. Das war kein blinder Aktionismus, sondern die Erkenntnis, dass auch das beste Programm nichts nützt, wenn sich niemand dafür interessiert, weil man als zirkelhafte Kleingruppe alleine unter Büchern verschwindet.

Konkret zu Euer Frage: gesellschaftliche Veränderung finden nicht im luftleeren Raum, sondern eben in der Öffentlichkeit bzw. im Kapitalismus statt. Wer sich davor verschließt, kann gar nicht auf genannte Veränderungen reagieren. Auch wenn die Revolution zur Zeit nicht gerade bevor steht, geht es doch immer darum, revolutionäre Politik mit dem dahinter stehenden Ziel einer klassenlosen Gesellschaft öffentlich wahrnehmbar zu machen, Räume zu öffnen und die Linke zu stärken. Hierbei wollen wir unbedingt auf das Papier »Super-Gau der Kritik« vom AK-Max (siehe www.antifa.de) verweisen.

Offiziell ausschlaggebend zur Auflösung war ja der unterschiedliche Umgang mit der Friedensbewegung bei der Anti-Bush-Demo im Sommer 2002. War das Konzept der strömungsübergreifenden Zusammenarbeit mit allen Gruppen, die sich als »links« bezeichnen, zu blauäugig?

Nicht nur der Umgang mit der Friedensbewegung, sondern der Umgang mit Bewegungen allgemein, also wie zum Beispiel auch mit der so genannten Antiglobalisierungsbewegung. Der Irak-Krieg und die daraus resultierenden Konsequenzen für Deutschland– genannt sei hier nur der Umbau der Bundeswehr zur einsatzfähigen Interventionsarmee oder die Remilitarisierung innerhalb der EU – war und ist eine der wichtigsten Entwicklung der letzten Jahre. Für uns war es daher selbstverständlich, gemeinsam mit anderen linken Gruppen wie F.e.l.s. vor Ort – das heißt in Berlin – mit einer antimilitaristischen Position gegen Krieg, Kapitalismus und Rot/Grün zu agitieren. Noch in der AAB meinte gleichzeitig ein Teil der Gruppe, sich nicht klar gegen den Krieg positionieren zu können oder den Militäreinsatz gar befürworten zu müssen, was zu besagter Blockade-Situation führte und letztlich maßgeblich zur Trennung beigetragen hat.

Die strömungsübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Gruppen ist nicht gescheitert. Wir demonstrieren in Bündnissen gegen neoliberale Globalisierung anlässlich von Wirtschaftsgipfeln, gegen Neonazi-Aufmärsche oder eben gegen den Irak-Krieg. Die Wahrnehmbarkeit von antikapitalistischen Positionen bei den Anti-Kriegs-Protesten ist natürlich auch nur dann groß, wenn sie sich daran beteiligen. Als Linksradikaler nicht hingehen und dann meckern, dass keine Linksradikalen da sind, ist öde.

Vier Monate nach der Trennung stellt sich die Frage, welche Erfahrung habt Ihr mit Eurem Schritt in die politische Praxis gemacht? Zum Beispiel beim 1. Mai 2003.

Vielen von uns sitzt die Trennung noch tief in den Knochen, obwohl wir mit den Anti-Kriegs-Aktionen, dem »Free-Juan Ra-Konzert«, den vielen Aktivitäten rund um den 1. Mai und aktuell mit der Mobilisierung zum G8-Gipfel nach Evian sofort durchgestartet haben. Praktisch hat sich nicht so viel geändert, weil sich viele der »AktionistInnen« – wie Ihr sie beschrieben habt – bei uns gesammelt haben. Einige, die sich aufgrund der Streitigkeiten schon fast verabschiedet hatten, haben sich sogar wieder eingeklinkt. An einer Auswertung zum 1. Mai arbeiten wir noch und werden diese beim Erscheinen des AIB sicher schon auf www.antifa.de veröffentlich haben. Nur soviel: die drei Aktionen von uns, das Konzert zur Walpurgisnacht, die Anti-Nazi-Mobilisierung am Vormittag und die gemeinsame Demo, waren ein riesen Event in Berlin. Wir fanden die Initiative zu einer gemeinsamen Demo ausgehend von einer klaren Anti-Kriegs-Position gut und der gesellschaftlichen Situation entsprechend sinnvoll. Auch wenn wir uns eine bessere Beteiligung im Bündnis hätten vorstellen können – und gerne Gruppen wie Autopool, die Anticapitalistas oder f.e.l.s. mit in der Vorbereitung gehabt – haben wir doch das Optimale rausholen können.

Kontakt: mail [at] antifa.de