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»Konspirativer Tick« der ehemaligen NF-Strukturen

Einleitung

Die Abspaltung bzw. die Nachfolger der "Nationalistischen Front" (NF) und ihre verdeckten Strukturen.

Offensive NS-Bezugnahme bei der Wahl des Heft-Titels durch die NF-Abspaltung FMJ.

Im Februar diesen Jahres löste sich die "Direkte Aktion Mitteldeutschland" (JF) offiziell selbst auf.1 Die "Direkte Aktion Mitteldeutschland" soll angeblich bereits Ende 1989 in Brandenburg/Havel gegründet worden seien. Später trat die Gruppe mit Kontaktadresse in Velten auf und benannte Ernst von Amhoff (Vorsitzenden), Klaus-Dieter Lück (Stellvertreter) und Toralf Degenhardt als ihren Vorstand. Die JF sah sich als »mitteldeutsche Jugendbewegung« und ging im Sommer 1993 aus der verbotenen „Nationalistischen Front“ (NF) und deren Nachfolgestruktur FMJ hervor. Unter der Überschrift »Die Zeit ist reif« erschien Ende Februar 1994 die vorerst letzte Ausgabe des internen Mitgliederrundbriefes »In Aktion«. Die »Arbeit der Vorfeldorganisationen ist abgeschlossen« wird erklärt, von nun an kann die Organisation die Struktur im Stillen ausbauen. Über ein koordiniertes "Zellensystem" bleiben die einzelnen Gruppen der Organisation nach wie vor verbunden.2

Das Abtauchen der JF führte auch schon zu Disputen zwischen dem brandenburgischen Innenministerium und Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU). Kanther wird vorgeworfen ein Verbot nach dem Vereinsgesetz gegen die NF-Nachfolgegruppierungen blockiert zu haben und die Ermittlungen durch das Anfordern immer neuerer Beweislast in die Länge gezogen zu haben. Nach der Selbstauflösung der JF fordert das Bundesinnenministerium nun Beweise für die verfassungswidrige Tätigkeit jeder einzelnen Gruppe der illegalen JF.

Daß heute gerade den ehemaligen Mitgliedern und Anhängern der "Nationalistischen Front" (NF) eine Vorreiterrolle bei der Ausbreitung des Zellensystems der NSDAP zugeschrieben wird, ist nicht verwunderlich. Das Parteienverbot vom November 1992 zeigte eine geringere Wirkung bei ihnen als die internen Konflikte innerhalb der NF-Führung. Insbesondere ihr kurz vor dem Verbot gegründetes „Förderwerk Mitteldeutsche Jugend“ (FMJ), das später in „Direkte Aktion Mitteldeutschland (JF)“ umbenannt wurde, entwickelte sich zur stärksten NS-Struktur in Berlin-Brandenburg. Rund 150 Mitglieder sollen die JF in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen und Sachsen Anhalt in Gruppen organisiert gewesen sein.

Im Gegensatz zur "Deutschen Alternative" (DA), die den Großteil ihrer Mitglieder nur lose einbinden konnte3 , war die „Nationalistische Front“ (zumindestens konzeptionell) von vornherein auf die Bildung einer Zellenorganisation ausgerichtet: »Prinzipiell ist eine Gruppe voll arbeitsfähig, wenn Folgende in ihr vorhanden sind: Ideologe, Stratege, Redner, Verwalter, Techniker, Geldbeschaffer und dazu einige sogenannte Mitläufer. Treten die genannten Fähigkeiten in einer Gruppe mehrfach auf, so empfiehlt sich für jene »überschüssigen Kräfte" die Führung von Nebenzellen.«4 Die kalte Berechnung, mit er das zu organisierende Menschenmaterial klassifiziert wird, hat seine Wurzeln im Organisationskonzept der Waffen-SS und die war schon immer Vorbild für die NF.

Wie ihre großen Vorbilder setzten auch die NF-Nachfolger von vornherein auf strenge Auslesekriterien, von anderen Fraktionen der NS-Szene wird ihnen auch ein »konspirativer Tick« nachgesagt. Die Teilnahme an Schulungen ist genauso Pflicht, wie die Beitragszahlung. In der Organisation werden nur diejenigen geduldet, die sich an die Organisationsprinzipien halten. Die Organisationsleitung hat »die Arbeitsweisen streng kontrolliert und im Bedarfsfall die Führungspersonen ausgetauscht«, heißt es im internen Rechenschaftsbericht (Zeitraum: 20.1.1992-28.2.1994).

Die Gruppen der JF sind in Stützpunkten organisiert, die mit vier Mitgliedern und einem Leiter, die kleinste Einheit darstellen. Wenn eine Gruppe zu groß wird, entsteht eine Zweite. Mehrere Stützpunkte schließen sich zu einer Ortsgruppe zusammen (siehe Antifaschistisches Infoblatt Nr. 26). Die Ortsgruppen arbeiten voneinander abgeschottet, nur ihre Leiter stehen laut NF-Dokumenten in Kontakt zueinander. Die drei Leiter einer Ortsgruppe, werden wie die Stützpunktleiter von Oben eingesetzt und sind Teil einer strikten Hierarchie. An der Spitze der Pyramide steht die Organisationsleitung, die diese »dezentrale Struktur« koordiniert. Unter dezentral ist hier bei die von den regionalen Gruppen geforderte Eigeninitiative zu verstehen, nicht das Aufstellen eigener Spielregeln.

Die JF tritt heute unter anderem in Potsdam als P.O.H.L.- Gruppe auf, für Insider ist unschwer zu erraten, daß dort der ehemalige stellv. NF-Vorsitzenden Andreas Pohl involviert sein dürfte. Laut Potsdamer Antifas soll auch Sören F. hinter der Gruppierung stehen, der noch 1992 im SrA-Vorstand für das Amt "Volk- und Brauchstumfragen" zuständig gewesen sei. Der Kreis vertreibt auch bunte Hochglanzaufkleber mit den üblichen NF-Motiven.

Der »Hennigsdorfer Beobachter« ist ein weiteres Produkt dieser Struktur und führt auch den Namen der kostenlos verteilten Lokalzeitung aus der Zeit vor der Auflösung weiter.

Die kostenlos verteilte Zeitung »Der Angriff« soll „zur ideologischen Orientierung“ weiter erscheinen (in leicht veränderter Form), sowie eine Zeitung, die sich mit aktueller Tagespolitik beschäftigt und einmal monatlich herausgebracht wird.5 „Der Angriff“ wird inzwischen als angeblich organisationsunabhängige Zeitschrift in alter Form, aber mit neuer Redaktionsadresse weitergeführt.6 Sie wirbt - wie auch die lokalen Neonazi-Schülerzeitungen "Fräch" und "Schüler-Revolte" – vor allem um Jugendliche. 7

Mit den "Märkischen Nachrichten" schufen die alten NF-Strukturen eine Zeitung, die einen anderen Personenkreis erreichen sollte als die mit dem "Der Angriff" angesprochenen Jugendlichen. Außerdem seien Propagandamittel und Schulungsunterlagen über einen Versand zu beziehen. Zentraler Versand ist der „Donner Versand“ von Harald Theodor Mehr und Stephan Haase (Lüdenscheid), was eine ganzseitige Anzeige in der schon zitierten »In Aktion« nahelegt.

In Berlin vertreibt außerdem der „Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten“ um Oliver Werner (bzw. über dessen Bankverbindung) altes NF-Schulungsmaterial, Flugblätter und die Zeitung »Stadtrebell«.

  • 1Nachtrag: Die "Direkte Aktion/Mitteldeutschland (JF)" wurde vom Innenminister des Landes Brandenburg am 5. Mai 1995 verboten.
  • 2Der Mehrheitsflügel der NF um Andreas Pohl gründet 1992 die "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA) als eine Abspaltung bzw. eine Art Nachfolgeorganisation der vor dem Verbot stehenden NF. Ein Art NF-Vorfeldorganisation wird das seit Juli 1992 bestehende „Förderwerk Mitteldeutsche Jugend (FMJ)“, das sich im Juni 1993 auflöste. Es wurde kurzzeitig durch den „Unabhängigen Jugendverband“ (UJV) und dann durch die „Direkte Aktion - Mitteldeutschland (JF)“ ersetzt.
  • 3"In der Folgezeit erwies sich unser Beitragssystem erstmals als hervorragende Auslese. Gerade bei Kameraden, die aus der Deutschen Alternative (DA) zu uns stießen, erkannten wir eine ausgesprochene Zahlungsunzuverläßigkeit. Einige behaupteten gar, Beiträge habe man bei der DA nie zahlen müßen". ("In Aktion", 2/94)
  • 4Nationalistische Front: "Aufgaben für die Ortsgruppenmitglieder"
  • 5Vgl. VS-Bericht BRB (1994/1995): Mitglieder der JF waren unter dem Namen "kommando F." auch an der Redaktion der "Berlin-Brandenburger-Zeitung" (BBZ) beteiligt, die zweimonatlich von "Die Nationalen e.V." herausgegeben wird. Unter dem Namen "kommando F." arbeitete ein Nutzer im Mailbox-Verbund "THULE-Netzwerk" und verbreitete dort den "Angriff". Auch seitdem dieser User die Mailbox "SoRevo" in Berlin betreibt, benutzt er weiterhin das Pseudonym "kommando F.
  • 6Der Angriff war seit dem 4. Juli 1927 die Gauzeitung der Berliner NSDAP, später die Tageszeitung der Deutschen Arbeitsfront. Gegründet und herausgegeben wurde die Zeitung von Joseph Goebbels, der seit 1926 Gauleiter der Berliner NSDAP war. Das Layout im Schriftzug wurde übernommen.
  • 7Im September 1994 beschlagnahmte die Polizei bei Rene P. in Beelitz 5.000 Blätter des "Angriff". Der Neonazi wurde wegen rassistischer Überfälle verhaftet.