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USA: Risse innerhalb der extremen Rechten

Spencer Sunshine (Übersetztung Frederik Fuß und Maximilian Weber)
Einleitung

Das Jahr 2017 war in den USA von intensiven Zusammenstößen zwischen Antifaschist_innen und verschiedenster Strömungen der extremen Rechten gekennzeichnet. Herausragend waren die Ereignisse um den „Unite the Right“-Aufmarsch in Charlottesville, Virginia, die in neunzehn Verletzten und dem Mord an Heather Heyer durch einen Neonazi gipfelten. Die Straßenallianz verschiedener rechter Gruppen, die sich seit Februar 2017 auch in gemeinsamen Auftritten ausdrückte, löst sich zusehends wieder auf. Jedoch findet auch eine stärkere Polarisierung der öffentlichen Meinung zur „Antifa“ statt – eine Bewegung, die in den USA viele Jahre nicht im öffentlichen Fokus stand.

Die Antifaschistin Heather Heyer wurde in den USA durch einen Neonazi ermordet.

Als Donald Trump 2015 seine Wahlkampfkampagne startete, erlebte der offen rassistische Teil der extremen Rechten ein Revival. Bekannt wurde die sogenannte „Alt Right“–Bewegung, die als neue zeitgemäße Strömung faschistischer Politik antrat, beeinflusst von Identitären (Identitarianism) und mit einem klar intellektuellen Anspruch – was ungewöhnlich für weiße NationalistInnen in den USA ist.

Die „Alt Right“ fusionierte später mit rechten Online Troll-Netzwerken und Teilen der zutiefst misogynen Gamergatebewegung.1 2015 formierte sich ein großer Teil der „Alt Right“-Anhängerschaft zur „Alt Lite“-Bewegung, deren politische Positionen mit denen der "Alternative für Deutschland" (AfD) vergleichbar sind. Sie übernahm das Auftreten der „Alt Right“, unterließ aber die offen antisemitischen Positionen und Forderungen nach einem weißen Ethno-Staat.

2016 wurde diese rassistische Bewegung offensiver und hielt öffentliche Veranstaltungen ab, was zu Zusammenstößen mit Antifaschist_innen führte. So wurden auf einer Demonstration in Sacramento, Kalifornien, im Juni 2016, zehn Menschen verletzt. Im Rahmen von Trumps Amtseinführung kam es durch den „Black Block“, der von der Öffentlichkeit mit der „Antifa“ gleichgesetzt wird, zu Ausschreitungen, die 200 Verhaftungen zur Folge hatten.

Diese Aktionen wurden – neben einem Video, auf dem die „Alt Right“-Ikone Richard Spencer geschlagen wird – auch in der Öffentlichkeit mit Wohlwollen aufgenommen. Als jedoch eine Demonstration die Absage einer Veranstaltung mit „Alt Lite“-­Journalist und Blogger Milo Yiannopoulos an der Universität in Berkeley erzwang, begannen liberale Medien, die aufkommende antifaschistische Bewegung zu denunzieren. Dies nahmen extrem rechte Gruppen, gemeinsam mit trumptreuen Republikanern, Milizen (die auch bewaffnet erscheinen, wo es legal ist), „Alt Right“, „Alt Lite“ und andere weiß-nationalistische Gruppen zum Anlass, Demonstrationen für Rede- und Meinungsfreiheit abzuhalten – ein Zusammenschluss, den ich unabhängigen Trumpismus (Independent Trumpism) genannt habe.2 Während einer Konfrontation in Berkeley, an der diese Gruppen beteiligt waren, gelang es den Rechten zeitweilig die Straße zu beherrschen. In der Folge kam es zu Demonstrationen für den Erhalt von Statuen von konföderierten Sklavenhaltern und zu einem landesweiten, antimuslimischen Aufmarsch, der die verschiedenen Fraktionen erneut zusammen auf die Straße brachte.

„Unite the Right“-Demonstration in Charlottesville

Der weiße Nationalist Jason Kessler – früher bei "Occupy Wall Street" aktiv – organisierte die „Unite the Right“-Demonstration in Charlottesville. Vermeintlich ging es um die Konföderiertendenkmäler, tatsächlich jedoch darum, den offen rassistischen und weiß-nationalistischen Flügel der „Alt Right“-­Bewegung an die Spitze eines landesweiten Aufmarsches zu setzen. Die meisten der eher moderaten Gruppen wollten diesem Aufruf nicht folgen, wodurch die Mobilisierung offen neonazistische Züge bekam. „Unite the Right“ zog um die tausend AktivistInnen an. Bereits am Abend zuvor wurde ein Fackelmarsch mit ca. 600 Teilnehmenden veranstaltet, bei dem u.a. „Blut und Boden“ und „Juden werden uns nicht ersetzen“- skandiert wurde. Die Veranstaltung brachte die führenden Köpfe von „Alt Right“ und weißen NationalistInnen zusammen. Damit war „Unite the Right“ die größte Neonazi-Demonstration seit 2002, als ungefähr 400 Neonazis in Washington zu einem Aufmarsch der „National Alliance“ zusammenkamen und die größte Versammlung weißer NationalistInnen seit 1987, als sich in Forsyth County, Georgia, ca. 3.000 RassistInnen versammelten, um gegen die Aufnahme von Schwarzen ins County (US-Verwaltungsbehörde) zu protestieren. Der Tag endete für die Neonazis desaströs. Die Polizei schritt nach Auseinandersetzungen zwischen extrem Rechten und Antifaschist_innen, die auf die Route drängten, lange nicht ein. Auch nicht, als militant gegen die Neonazis agiert wurde. Die Veranstaltung wurde noch vor ihrem Beginn für rechtswidrig erklärt und beide Demonstrationen aufgelöst. Es war eine spätere antifaschistische Demonstration – die Mehrheit der Teilnehmenden war an den Ausschreitungen nicht beteiligt gewesen-, in welche der Neonazi James Alex Fields Jr. mit seinem Auto raste und Heather Heyer ermordete. Der Attentäter war zuvor mit den Neonazis von „Vanguard America“ marschiert.

Eine Mord und dessen Folgen

Der öffentliche Aufschrei nach dem Mord von Heather Heyer wurde durch die Aussage Trumps, wonach beide Seiten für die Gewalt verantwortlich seien, noch lauter. Liberale Kolumnist_innen veröffentlichten Memes, die Antifaschist_innen mit US-Soldaten während der Invasion in der Normandie verglichen. Das Ansehen der extremen Rechten hatte großen Schaden genommen. Zwei landesweite Aufmärsche, ein antimuslimischer und ein antifeministischer gegen Google im September, wurden abgesagt. Zehn Onlineplattformen löschten verschiedene Accounts weißer NationalistInnen. Rassistische Webseiten, unter anderem der „Daily Stormer“, gingen mehrfach offline. Zwei Anführer der „Alt Right“ wurden verhaftet, einer wegen den Vorfällen in Charlottesville, ein anderer aufgrund früherer Ausschreitungen in Berkeley.

AnhängerInnen der „Alt Lite“ versuchten, sich von der Bewegung zu distanzieren. Einige führende „Alt Right“-ProtagonistInnen gerieten in Streit, da sich die einen hämisch über den Tod von Heyer freuten, während andere von einem PR-Desaster sprachen. Eine Woche später standen einem kleinen „Alt Lite“-Aufmarsch knapp 40.000 Gegendemonstrant_innen gegenüber.

Die positive Stimmung gegenüber Antifaschist_innen hielt jedoch nicht lange an. Als der aggressive Internet-Troll der „Alt Lite“ Joey Gibson versuchte, in San Francisco eine Kundgebung unter dem Motto „Nein zum Marxismus“ durchzuführen, wurde der Kundgebungsort kurzerhand von Antifaschist_innen besetzt und ein „Alt Right“-Aktivist unter Schlägen aus dem Park gejagt. Der Vorfall wurde gefilmt und eine Flut von Diffamierungen ging durch die liberale Presse. Die renommierte Washington Post verkündete: „Yes, antifa is the moral equivalent of neo-Nazis.” („Ja, Antifa ist das moralische Equivalent der Neonazis.“) – wohlwissend, dass es seit den 1990er Jahren 450 rechtsmotivierte Morde gegeben hat.

Es sieht nicht so aus, als bekäme die rechte Mobilisierung politischen Aufwind. Der Rauswurf von Steve Bannon, der als ihr Chefredakteur die Website "Breitbart News Network" zur „Plattform" der „Alt Right“ erklärte, aus der Trump-Administration eine Woche nach Charlottesville hat die direkte Verbindung der „Alt Right“ zu Trump gekappt. Die unabhängigen TrumpistInnen scheinen weniger geneigt, die Augen vor RassistInnen in den eigenen Reihen zu verschließen, als in der Vergangenheit. Der offen rassistische Flügel weißer NationalistInnen erscheint momentan isoliert und vermag nicht mehr, als den eigenen Kern zu mobi­lisieren. Ein Artikel auf „AltRight.com“, einer von Richard Spencer mitgegründeten Internetseite, rief die Bewegung zuletzt zu einem „führerlosen Widerstand“ auf, einer dezentralen Form des bewaffneten Kampfes im Untergrund.

Dennoch ist auch die anti­faschistische Position als schwach zu bewerten, denn die extreme Rechte belebte antikommunistische Verschwörungstheorien, indem "die Kommunistische Partei" einfach durch „die Antifa“ ersetzt wurde – und das mit einigem Erfolg. Eine Petition ans Weiße Haus, um „die Antifa formal als terroristische Organisation anzuerkennen“, erreichte über 350.000 Unterschriften und auch Trump selbst denunzierte „die Antifa“ bereits persönlich. In einem Bericht, scheinbar ein Leak der Geheimdienste, werden Antifaschist_innen als „inländische Terroristen“ untersucht. 200 Menschen warten derzeit auf ihre Prozesse wegen den Aktionen bei Trumps Amtsantritt und weitere Verhaftungen wegen der Ausschreitungen in Charlottesville sind zu erwarten. Der nächste Neonazi-­Aufmarsch ist als „Marsch gegen Kommunismus“ für Dezember 2017 in Charlotte, North Carolina, angekündigt. Gesponsert von der "Anti-Communist Action" und mit Richard Spencer als Redner.