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Neonazi-Immobilie in Burg: Grützwurst im Deutschen Haus

Einleitung

Im brandenburgischen Spreewaldort Burg hat ein Neonazi eine Gaststätte und ein Hotel übernommen.

Foto: Presseservice Rathenow

Daniel Grätz am 21. April 2018 in Ostritz beim „Schild und Schwert Festival“ der NPD.

Die Gemeinde Burg liegt idyllisch in der Spreewaldlandschaft, 100 Kilometer südlich von Berlin und nur eine zwanzigminütige Autofahrt von der Lausitzmetropole Cottbus entfernt. Ein Magnet für den Tourismus – sorbische Folklore, die Spreewaldtherme und reichlich Gelegenheit für Paddelsport und Kahnfahrtromantik.

In der Region gibt es allerdings neben einem ausgeprägten Heimatbewusstsein auch einen verankerten Neonazismus. 22 Prozent der Stimmen holte die brandenburgische AfD bei den Kreistagswahlen im Jahr 2019. Aus Burg kommt der Kreisvorsitzende der Lausitzer NPD, Benjamin Mertsch. Im Nachbardorf Leipe stakst NPD-­­Kader Falk Haffner als „Haffi der Fährmann“ höchstpersönlich Tagesausflügler durch die Spreekanäle.

Jetzt sind zwei touristische Anziehungs­punkte in Burg von einem militanten Neonazi übernommen worden. Das „Deutsche Haus“, ein Restaurant, das im 17. Jahrhundert als Zollhaus gebaut wurde und dazu das Biohotel „Kolonieschänke“, benannt nach dem Burger Ortsteil Kolonie. Beide Einrichtungen werden seit neuestem von Daniel Grätz, tief verwurzelt in der regionalen Neonaziszene, betrieben.

Das Geld für den Kauf des „Deutschen Haus“, der bereits im April 2020 abgewickelt wurde, kommt direkt aus der Region. Grätz besorgte sich dafür einen Kredit über 700.000 Euro von der Sparkasse Spree-Neiße. Im Verwaltungsrat der Bank sitzen der Cottbuser Oberbürgermeister und der Landrat des Kreises. Für die „Kolo­nieschänke“ schloss Grätz einen Betreiber­vertrag mit dem Besitzer Olaf Schöpe ab. Dieser ist Präsident des Landesverbandes des Dehoga, dem „Deutschen Hotel- und Gaststättenverband“. Der brandenburgische Verfassungsschutz habe auf den Hintergrund von Grätz erst hingewiesen, als die Deals schon unter Dach und Fach waren.

Verpächter Schöpe stehe „für Weltoffenheit, Gastfreundschaft und Toleranz“, beeilte sich der Dehoga zu erklären und verwies auf die Verbandsmitgliedschaft im Netzwerk „Tolerantes Brandenburg“. Schon gleich nach den Geschäftsabschlüssen deutete sich an, dass unter dem Betreiber Grätz in den beiden Traditionshäusern nicht nur Geld für Neonazis und deren Netzwerke verdient und szenenahe Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern dass auch die Entstehung von neuen informellen Neonazitreffpunkten droht. An Himmelfahrt 2020 nutzte eine Gruppe Neonazis das „Deutsche Haus“, um dort lautstark den „Vatertag“ zu feiern. Die Gaststätte bietet obendrein Räumlichkeiten, die sich auch zur Ausrichtung von Konzerten eignen würden.

Gegenüber der Presse äußerte sich Grätz selbst nur widerwillig, und behauptete, dass er völlig „unpolitisch“ sei. Allenfalls habe er als Mitglied der Fanszene von Energie Cottbus ein paar „Jugendsünden“ begangen. Solche Schutzbehauptungen sind leicht zu widerlegen. Teilnahmen von Grätz an Events der Neonaziszene sind auch für die jüngste Vergangenheit belegt. Beim Neonazi-Kampfsportturnier „Tiwaz“ in Grünhain war er 2018 genauso dabei wie beim Festival „Schild und Schwert“ 2019 in Ostritz und bei den „Tagen der Nationalen Bewegung“ im gleichen Jahr in Themar. Er gehört zum militanten Neonazismus im Raum Cottbus, in dem seit langem Rechtsrock, Hooliganismus, Kampfsport, Geschäftemacherei und Politik, Gewalt und organisierte Kriminalität miteinander verwoben sind.

Die aktuelle Mischszene wurzelt in der 2012 verbotenen Neonazi-­Gruppe „Spreelichter“ und überschneidet sich mit den lokalen „Identitären“, mit der rassistischen Kampagne „Zukunft Heimat“ und ihren Ablegern und somit auch mit der Brandenburger AfD. Ein Foto aus der Jahresmitte 2019 zeigt Grätz zusammen mit Größen der Cottbuser Türsteher- und Neonaziszene. In der Gruppe auf diesem Foto steht auch Martin Miethke, ein Cottbuser Neonazi und Bodybuilder, der sich als Verkäufer von Fitnessartikeln mit einem Ladengeschäft selbstständig gemacht hatte. Anfang März 2020 wurde Miethke in Cottbus unter weiterhin ungeklärten Umständen erschossen.

Grätz hingegen war zeitweise verantwortlich für das Bekleidungsgeschäft „Blickfang“, in bester Lage in der Cottbuser Innenstadt angesiedelt. In dem Laden werden hauptsächlich Artikel der aus dem Milieu stammenden Marke „Label 23“ verkauft. Mit der Marke und dem „Blickfang“ ist der Kickboxer und Kampfsportler Markus Walzuck verbunden. Der Laden war vor Jahren einer der Schauplätze von handfesten Auseinandersetzungen im kriminellen Milieu der Stadt. Nachdem der „Blickfang“ 2013 mit Feuerlöschern verwüstet wurde, beteiligte sich Walzuck führend an einem Überfall auf ein Mitglied der Hells Angels. Der Rocker wurde niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. 2014 stand Walzuck mit zwei weiteren Tatbeteiligten vor Gericht und erhielt eine fünfjährige Haftstrafe.

Seit 2018 wird gegen Mitglieder dieser Szenerie unter dem Namen „Kampfgemeinschaft Cottbus“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Allein im Raum Cottbus werden ihr 400 Personen und in der Stadt selbst 170 Personen zugerechnet. Es seien Überfälle auf Journalist*innen geplant worden, die kritisch über den Rechtsextremismus der Region berichtet hatten. Zudem geht es um Körperverletzungen, Verstoß gegen das Waffengesetz, Steuerhinterziehung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Administrator einer zentralen Handychatgruppe war der lokale „Identitären“-Anführer Markus Wisheit.

Um Beweise zu sichern, erfolgten im April 2019 Razzien bei insgesamt 19 Beschuldigten. Es traf auch den mitterweile ermordeten Miethke, Kampfsportler Walzuck – und den Neugastronomen Grätz. Durchsucht wurden unter anderem Objekte in Frankfurt (Oder) und in Kühlungsborn (Mecklenburg-Vorpommern), wo Grätz Bekleidungsgeschäfte mit dem Namen „Frauenzimmer“ betreibt. Man darf also schlussfolgern: So ganz harmlos und unpolitisch, wie der Geschäftsmann Daniel Grätz sich darzustellen versucht, ist er tatsächlich nicht.

Die beiden Einrichtungen in Burg ergänzen derweil das Portfolio der Immobilien und Geschäfte, die der regionalen Neonaziszene zur Verfügung stehen. In Lübben trainiert die neonazistische „Northsidecrew“ Kampfsport in einer ehemaligen Discothek. In Cottbus unterhält das Rechtsrocklabel „Rebel Records“ den „Devils Right Hand Store“. Der „Blickfang“-­Laden ganz in der Nähe wird genauso weiterbetrieben. Nur mit der „Mühle“, die „Zukunft Heimat“ ein paar Häuser weiter Mitte 2018 einrichtete, wollte es nicht so recht klappen. Zur Jahresmitte 2020 musste der „patriotische Bürgertreffpunk“ wieder schließen. Das AfD-Bürgerbüro, dass sich im gleichen Gebäude befindet, ist allerdings noch in Betrieb.

Für Grätz‘ Gewerbe in Burg könnte derweil das Neonazi-Geschäftsmodell von Lindenau Pate gestanden haben. In diesem Südbrandenburger Ort hat vor einigen Jahren der ehemalige „Blood & Honour“­-Anhänger Sebastian Raack seinen Lebensmittelpunkt und seine Geschäfte verlegt. Sein Rechtsrocklabel „One People One Struggle“ (OPOS) und die Neonazi-Kleidungsmarke „Greifvogel Wear“ vertreibt Raack von dort aus. Zudem hat er die „Parkgaststätte“ übernommen und einen Pizzabringdienst „Pizza 18“ eröffnet. Neonazigeschäfte auf der einen Seite und Fremdenverkehr und Gastronomie auf der anderen gehen in Südbrandenburg offenbar ganz gut zusammen.