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Neonazi im Polizeidienst der USA

Einleitung

In den USA kann man alles werden, so sagt man. Auch Polizist, selbst wenn man ein führender Neonazi innerhalb des „Blood & Honour“-Netzwerkes war. 2017 berichteten wir über den zum kommissarischen Polizeichef in Oklahoma ernannten Bart Alsbrook und seine Vergangenheit in der militanten Neonazi-Szene1 . Folgend ein Update zu diesem Fall und warum Alsbrooks Aktivitäten nicht „water under the bridge“ sind. 

  • 1Siehe AIB Nr. 116 „Von Blood & Honour zum Polizeichef“
Bild: Screenshot YouTube

Bart Alsbrook, Anfang der 2000er Jahre in einem Interview für die Dokumentation „Skinhead Attitude“

Man with a badge

Ich würde wirklich gerne wissen, was all die C18-Krieger so tun (…) “. So kommentierte Yves Rahmel einen Ausschnitt eines „Kriegsberichter“-Videos in den sozialen Netzwerken. Das Video zeigt ein Interview mit Alsbrook zum Thema „Musikalischer Aktivismus vs. Kampf im realen Leben1 . Alsbrook war bis in die 2000er Jahre einer der wichtigsten Ansprechpartner des „Blood & Honour“(B&H)-Netzwerkes und dessen bewaffneten Arm „Combat 18“ (C18) in Texas und erschien in zahlreichen Videos von „Kriegsberichter“. Kommentator Rahmel aus Chemnitz ist bis heute eine der einflussreichsten Schnittstellen im RechtsRock-Geschäft in Europa, u.a. durch seine enge Anbindung an das Neonazi-Label „PC Records“. Auf die Frage von Rahmel antwortet Alsbrook: „Klar. Weil dir ja auch jeder sofort Bericht erstattet.“ „Bart Alsbrook, du bist der Polizist. Ich denke du bekommst diese Information zuvor“, kontert wiederum Rahmel. Die Kommentarspalte ist lang und wirkt wie ein Who-Is-Who der alten B&H-Riege. Neben Rahmel findet man dort exponierte Personen dieses Netzwerks aus Europa, sowie weitere aus den USA. Etwa Jon Pressley aus North Carolina, der sich bis heute als Kopf von C18 in den USA ausgibt. 2018 reiste er u.a. ins sächsische Ostritz, wo sich im April zahlreiche C18-AktivistInnen aus ganz Europa auf dem NeonaziFestival „Schild & Schwert“ trafen. Das Video, unter dem Alsbrook zahlreiche Kommentare zur Rolle von „Blood & Honour“ hinterließ, wurde am 1. September 2018 von Marko „Jäsa“ Jarvinen veröffentlicht. Er ist der Hauptverantwortliche der „Kriegsberichter“-­Videoreihe und inszeniert sich bis heute als Repräsentant von C18 in Finnland.

Nichts Falsches getan

Nur ein Jahr zuvor, im August 2017, wurde Alsbrook zum neuen kommissarischen Polizeichef in Colbert, Oklahoma ernannt. Dieses Amt in der Kleinstadt hatte zuvor in kurzen Abständen die Leitung gewechselt. Anders als etwa der vorletzte Leiter der Polizeistation, ist Alsbrook zertifizierter „Reserve Officer“. Um jedoch zum Polizeibeamten mit voll-umfänglichen, rechtlichen Befugnissen zu werden, bedürfte es eines weiteren Zertifikats. Dieses hätte er nach sechs Monaten erhalten. Kurz nach seiner Ernennung deckte der Sender „KXII-TV“ seine Aktivitäten innerhalb von B&H und C18 auf. Alsbrook bot darauf seiner Wache an, freiwillig aus dem Dienst zurückzutreten. Der Sprecher der Stadtverordneten in Colbert reagierte auf die Recherchen jedoch nur mit den Worten, „dass man nicht möchte, dass er geht, da er nichts getan hätte was seinen Rausschmiss rechtfertigen würde“. Alsbrook verließ die Wache in Colbert dennoch, wurde jedoch kurze Zeit später als „Reserve Officer“ einer Wache in der nur wenige Kilometer entfernten Kleinstadt Achille eingestellt. „Wir berücksichtigen keine Ereignisse, die 20 Jahre zurück liegen“, hieß es von Seiten der Stadt auf Nachfrage der Nachrichtenseite „Harold Democrat“. „Ich habe vor 15 Jahren all den rassistischen Kram hinter mir gelassen“, sagte Alsbrook 2017 dem selben Nachrichtenportal auf Anfrage. Nun, dies würde bedeuten, er hätte seit 2002 nichts mehr mit der Neonazi-Szene zu tun.

Nicht-öffentliche Kommentare sowie für jeden auffindbare Beiträge Alsbrooks in den sozialen Netzwerken sprechen jedoch für das Gegenteil. 2016 wünschte er etwa Jens-Uwe Arpe, Sänger der B&H-Band „Kraftschlag“ alles Gute zum Geburtstag und postete Bilder eines Schnellfeuergewehrs, das von einer vermummten Frau, bekleidet in einem T-Shirt von „Blood & Honour“, präsentiert wird. 2017 veröffentlichte ein australischer C18-Aktivist die Meldung, dass ein Antifaschist in Russland von Neonazis getötet wurde. Alsbrooks Kommentar: ein Link zu einem Musikvideo der Sixties-Pop-Band „Dave Clark Five“, in deren bekanntesten Song im Refrain gesungen wird: „Sha na na na hey hey hey goodbye“ - eine Verhöhnung des jungen Antifaschisten, der im Februar 2017 in St. Petersburg getötet wurde. „Likes“ hinterlässt Bart Alsbrook ebenfalls nicht wenige bei einschlägigen Seiten. Etwa bei einem Bild von Hitler im Kleinkindalter, dass eine deutsche Neonazi-Aktivistin mit den Worten „Junge kommt bald wieder“ im April 2017 verbreitet hatte, wie auch jüngst bei Bildern, die von dem C18-Aktivisten Jon Pressley im Februar 2019 in den sozialen Netzwerken erschienen. Darauf ist Donald Trump abgebildet, dazu ein Schild welches in vulgärem Slang Kommunist_innen sexistisch beleidigt.

„Stille“ Mitgliedschaft?

Alles „water under the bridge“, wie Alsbrooks aktueller Arbeitgeber behauptet? Sicher nicht, denn auch von Seiten aktiver Neonazis scheint man Alsbrooks Meinung zur Entwicklung der Szene immer noch wertzuschätzen. In Kommentarspalten erklärt dieser 2018 ausgiebig, was seiner Ansicht nach B&H bedeutet und bemängelt Fehlentwicklungen dieses Netzwerkes. Dabei geht er auf die Musikindustrie innerhalb der Organisation ein und lästert über ehemalige Mitstreiter. Allen Beteiligten ist dabei klar, dass Alsbrook ein „man with a badge“ ist, wie ihn Marko „Jäsa“ Jarvinen bezeichnet. „Es gibt einen Grund, warum Hitler die SA zerstört hat“, schreibt Alsbrook in Bezug auf Neonazi-Aktivisten, denen es nur um Musik und Geld gehe. Die Art und Weise, wie sich Alsbrook in den Diskussionen einbringt, wirken wie die eines „stillen Mitglieds“ bzw. wie die eines Aktivisten „im Ruhestand“. Es fallen keine Anschuldigungen, Spitzelvorwürfe oder Unterstellungen, dass er nicht mehr „zur Sache“ stünde. Vielmehr wirkt es, als ob man seinen Formulierungen zustimmt und stolz auf „El Barto“ ist. Auf Marko „Jäsa“ Jarvinens Webseite „Ainaskin-Media“ - das für die Produktion der „Kriegsberichter“-Videos zuständig ist – wird ein Beitrag von Alsbrook für das Videomagazin mit den Worten beworben „Tattoos &  Beer featuring an Oklahoma Sheriff (no joke!)2 .

Rassistische Grundstimmung

Was es bedeutet, ehemalige oder „stille“ B&H-Aktivisten im Staatswesen, etwa als Polizisten anzutreffen, darüber könnten US-Bürgerrechtsbewegungen lange berichten. Die Zustände im Mittleren Westen haben sich in den letzten Jahren verschlimmert. Der tief in der dortigen Gesellschaft verankerte Rassismus komme immer mehr zum Vorschein. Eine der ältesten Gruppen innerhalb der Bürgerrechtsbewegung, die „National Association for the Advancement of Coloured People“ (NAACP), hatte 2017 sogar eine Reisewarnung für Missouri, einem Nachbarstaat von Oklahoma, ausgesprochen. 2014 wurde in Furgeson, Missouri der schwarze Jugendliche Michael Brown von einem Polizisten erschossen, Stimmen seitens der Bürgerrechtler wurden lauter und mit ihnen wuchsen Kampagnen wie „Black Lives Matter“. RassistInnen nutzten die Ausschreitungen nach dem Mord an Brown, um mit Ressentiments die Gesellschaft zu spalten. 2017 kam es zu einer Gesetzes-
änderung in Missouri, die Klagen gegen Kündigungen aufgrund von Diskriminierung am Arbeitsplatz erschweren sollen. Im selben Jahr stellte der Generalstaatsanwalt von Missouri fest, dass Polizist_innen zu 75 Prozent häufiger schwarze Autofahrer_innen anhielten.

Offen sichtbarer, institutioneller Rassismus, sei es durch Racial Profiling seitens der Polizei oder durch Gesetzesänderungen wie in Missouri, ist auch eine Folge der Ernennung Donald Trumps zum Präsidenten. Neonazis und „White Supremacists“3 fühlen sich so ermächtigt, wie schon lange nicht mehr. Die alte Riege um Personen aus der „Hammerskin Nation“ und aus „Blood & Honour/Combat 18“ sieht sich berufen, das (gewalttätige) Vordringen der extremen Rechten zu unterstützen – nicht zuletzt auf Aufmärschen wie in Charlottesville. „Männer mit Dienstmarke“ wie Bart Alsbrook dürften für den nötigen Rückenwind seitens des Gesetzes sorgen. Neben dem Einfluss auf seine jetzige Tätigkeit als „Reserve Officer“ wäre retrospektiv zu klären, ob Alsbrook in Dallas, Texas schon vor 2017 im Polizeidienst tätig war. Denn genau darauf deuten Kommentare in den sozialen Netzwerken.

  • 1Kriegsberichter Vol. 6, Chapter 06 „B&H Battle beyond stardom“.
  • 2Kriegsberichter Vol. 2
  • 3„white supremacy“, deutsch: „weiße Vormachtstellung“