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Neonazi-Aufmarsch in Bad Segeberg

Einleitung

Über 200 Neonazis marschierten am 24. Mai 1997 ungestört im schleswig-holsteinischen Bad Segeberg. Optisch dominiert wurde die Demonstration von einer größeren Gruppe schwarz Uniformierter mit schwarzen Fahnen mit dem Logo der Gruppe "Freiheitlicher Volksblock" (FVB).

Die Demonstrations-Veranstalterin Thekla Kosche bei einem Neonazi-Aufmarsch 1998 in Lübeck.

Neonazis in Schleswig-Holstein formieren sich für die Wahl

Ursprünglich hatte Sven L. (Eutin-Fissau) für den "Freiheitliche Volksblock" (FVB) im nahegelegenden Örtchen Plön, etwa 30 Kilometer von Bad Segeberg entfernt, eine Demonstration unter dem Motto »Deutschland in Not« angemeldet. Diese wurde allerdings von der Stadtverwaltung verboten. Nicht so in Bad Segeberg: Die dortige Ordnungsbehörde hatte eine Demonstration unter dem Motto "Gegen den EURO, die EG-Mißwirtschaft und den Sozialabbau" erlaubt. Auch die reichlich anwesende Polizei sah keinen Grund zum Eingreifen. Als Veranstalterin trat Thekla Kosche in Erscheinung. Sie betreibt seit einiger Zeit ihre eigene Neonazi-Mailbox und liegt mit Teilen der Neonazi-Mailbox-Vernetzung „Thule Netz“ im Clinch.

Erneut zeigte sich, daß sich die militante Neonaziszene in Schleswig-Holstein erfolgreich umstrukturiert hat. Hauptorganisator der Demonstration war – wie schon bereits für zwei kleinere Demonstrationen in diesem Jahr - ein Bündnis von militanten Neonazis aus dem Umfeld der verbotenen Nationalen Liste (NL) und Personen aus dem Umfeld der Gruppe "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) sowie der NPD. Als Redner traten auf der Demonstration Thomas Wulff (Hamburg), Konrad Petratschek (FVB) aus Neuburg an der Donau und Ingo Stawitz  (Uetersen) auf.

Ingo Stawitz, früher für die DVU, später für die DLVH im Kieler Landtag, inzwischen bei der NPD, pflegt schon seit Jahren Kontakte zu militanten Neonazis. Der ehemalige Vize der verbotenen Nationalen Liste (NL), Thomas Wulff, war vor einiger Zeit in der Hamburger DLVH aktiv geworden. Die im Bereich Henstedt-Ulzburg aktive "Patriotische Jugend", die u.a. die Neonazi-Zeitschrift  "Hamburger Sturm" herausgibt, arbeitet seit mehr als einem Jahr mit Stawitz zusammen. Dabei handelt es sich offensichtlich um mehr, als um ein taktisches Bündnis. Insbesondere in Hinblick auf die demnächst in Schleswig-Holstein anstehenden Kommunalwahlen, aber auch mit Blick auf die Bundestagswahlen 1998, dürfte es sich um den erneuten Versuch einer »Vereinigten Rechten« handeln.

Zumindest was die Mobilisierungfähigkeit dieses Bündnisses angeht, ist die Zusammenarbeit bisher recht erfolgreich. Vor allem im Norden Hamburgs kann die Truppe auf ein altes Netz von NPD-Anhängern und "Wiking Jugend"- Mitgliedern aufbauen. Aber auch in anderen Regionen Schleswig-Holsteins sind in den letzten Jahren offensichtlich neue Kameradschaften entstanden. In den nächsten Monaten dürfte mit weiteren Aktionen zu rechnen sein.

FVB tritt bundesweit in Erscheinung

Überraschend an dem Aufmarsch war eigentlich nur der mit rund 50 Leuten relativ stark ausgefallene FVB-Block.

Diese Organisation ist bisher in Schleswig-Holstein nicht aufgetreten. Ihr werden in der Region rund zehn Neonazis aus Ostholstein und Steinburg zugerechnet. Der FVB wurde im Januar 1994 in Nürnberg gegründet. Er gilt als ein Auffangbecken für einige der Aktivisten der verbotenen Heimattreue Vereinigung Deutschlands (HVD) von Andreas Rossiar, die bis zu ihrem Verbot allerdings nur in Baden-Württemberg aktiv gewesen war.

Bei der Neonazi-Demonstration gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht" am 1. März 1997 in München liefen rund 80 Personen im FVB-Block mit. Die Neonazitruppe hatte in Person ihres Kaders Thomas Scharf (Nürnberg) für den 16. Februar 1997 einen Aufmarsch in Magdeburg nach dem Mord an Frank Böttcher (siehe AIB Nr. 38) angemeldet, welcher jedoch verboten wurde. Am 21. September 1996 wollte der FVB gemeinsam mit der "Anti-Antifa Franken" in Nürnberg demonstrieren. Auch diese Demonstration wurde nicht erlaubt. Offensichtlich bemüht sich die Gruppierung, die ihren Sitz in Neu-Ulm hat, um bundesweite Ausdehnung. So soll der FVB auch in Halle (Sachsen Anhalt) über einen Ableger mit etwa 10 Mitgliedern um den Neonazi Falko P. verfügen.