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Internationaler Hass

Einleitung

Das Netzwerk der Hammerskins

Es war eines der größten Neonazi-Events des Jahres 2012: Zwischen 1.200 und 1.500 Neonazis, zwei Drittel von ihnen aus Deutschland, versammelten sich am 3. November in der lothringischen Kleinstadt Toul zum »Hammerfest« der europäischen Hammerskins. Insgesamt sieben Bands spielten auf, fünf aus Deutschland, jeweils eine weitere aus Ungarn und Griechenland.1 Wegen des Konzertes rückten die Hammerskins einmal mehr in den Fokus der Medien. Doch hinter diesem internationalen Netzwerk steckt mehr als »nur« ein neonazistisches Musik-Business.

  • 1Sturmwehr (Gelsenkirchen), Moshpit (Altenburg), Division Germania (Mönchen­gladbach), Blutzeugen (Deutschland), Verzerzerödes (Ungarn), Wolfsfront (Deutschland) und Der Stürmer (Griechenland). Die Bands Verzerzerödes, Wolfsfront und Division Germania gelten szene­intern als Hammerskin-Bands.

Malte Redeker (links) aus Ludwigshafen und Thomas Gerlach (Mitte) aus Meuselwitz sind führende Personen der Chapter »Westmark« und Sachsen. Rechts der Cottbusser Hammerskin Christian K.

Die Konzert-Profis

Ort des »Hammerfestes« 2012 war eine Lagerhalle in einem Industriegebiet von Toul, hundert Kilometer südwestlich von Saarbrücken, die französischen Hammerskins als »Clubhaus« dient. Wenngleich das Konzert ohne Störungen »von außen« stattfand, so konnten das Organisationsteam der Hammerskins Westmark aus Deutschland dieses Mal nicht zufrieden sein. In einer ursprünglich vorgesehenen großen Halle in Volmunster, einem französischen Grenzort nahe des pfälzischen Zweibrücken, wurde das Konzert von den französischen Behörden kurzfristig verhindert. Das Clubhaus in Toul erwies sich als viel zu klein für die Masse. Das Resultat – so berichten Augenzeugen – waren logistische Probleme, murrende Gäste und blanke Nerven, was unter anderem zu einer Schlägerei unter Besuchern führte. Dabei hatte man sich alle Mühe gegeben, auch dieses Konzert störungsfrei durchzuziehen. Offiziell war ein Veranstaltungsort in der Schweiz angekündigt worden und Busunternehmen, die Neonazis aus ganz Deutschland nach Frankreich brachten, geben auf Nachfrage an, ihnen wären teilweise Zielorte außerhalb von Frankreich genannt worden, die erst am Tag des Geschehens korrigiert worden seien. Dass dieses Konzert nicht zu einem »Triumph« der Hammerskins wur­de ist auch ein Verdienst der Antifa, der es gelang den Veranstaltungsort in Volmunster zu recherchieren. Denn dieser liegt nur wenige Kilometer von einem Gelände entfernt, welches deutschen Hammerskins als Treffpunkt dient.

Rückzugsraum Frankreich

Frankreich hat sich bislang als Rückzugs- und Veranstaltungsort bewährt. In Eschviller bei Volmunster kauften Mitglieder der Hammerskins Westmark im Jahr 2009 für gerade einmal 1.500 Euro ein 70 Ar großes Freigelände, das seitdem als Konzert- und Partytreffpunkt dient. 1 .Anfang Juli 2011 hatten deutsche und französische Hammerskins das »Bonded-By-Blood«-Neonazi-Konzert in Rohrbach-lès-Bitche (Lothringen) mit rund 2.500 BesucherInnen durchgeführt.2 Im Clubhaus in Toul fanden 2012 mehrere Konzerte statt und im Mai 2012 notierten die französischen Behörden ein Treffen, zu dem Neonazis aus mehreren europäischen Ländern angereist waren – offensichtlich ein »European Officers Meeting« (EOM), ein mehrmals im Jahr tagendes Gremium euro­päischer Hammerskins. Gegenüber der Öffentlichkeit zeigten sich die französischen Behörden bis vor Kurzem betont desinteressiert. Die Polizei in Toul gab am Abend des 3. Novembers vor, nicht zu wissen wer und was denn die Hammerskins überhaupt seien. Doch immerhin: Die Stadtverwaltung in Toul hat sich mittlerweile in Bewegung gesetzt und sucht nach Möglichkeiten, das Clubhaus der Hammerskins zu schlie­ßen.

Struktur und Habitus der Rocker

Der aktuelle Mitgliederstand der deutschen Hammerskins dürfte derzeit zwischen 100 und 150 Vollmitglieder betragen. Nur Vollmitglieder (patch-holders)3 der »Hammerskin-Nation« (HSN) dürfen sich Hammerskins nennen, das Hammerskin-Symbol der zwei gekreuzten Zimmermannshämmer verwenden und sich mit der Grußformel HFFH (Hammerskins Forever – Forever Hammerskins) kenntlich machen.

Die interne Struktur ist bis ins Detail den Rockergruppen abgekupfert. Die regionalen Gruppen, die sogenannten Chapter, erschließen nie mehr Potential als sie benötigen. Einerseits genug um ihren Führungsanspruch in einer Region zu reklamieren und das Geschäft zu kontrollieren. Andererseits nicht zu viele, um den elitären Anspruch nicht zu verwässern und den eigenen Laden unter Kontrolle zu behalten. Im Umfeld der Mitglieder bewegt sich ein größerer Kreis von »Hangarounds« und Mitgliedsanwärtern, genannt »Prospects of the Nation« (PotN), die sich unter Labels wie Crew 38 sammeln. Die 38 steht für die Buchstaben C und H, Crossed Hammers. Nach vielen Monaten, manchmal auch Jahren, in denen man sich als Hangaround bewähren und verdingen muss, wird man in den Status des PotN erhoben. Es folgt eine erneute Bewährungszeit, in der man beispielsweise alle Hammerskin-Chapter in Deutschland und den Nachbarländern bereisen und sich dort vorstellen muss. Schließlich bekommt man in einem feierlichen Ritual das »Patch«, den Mitgliedsaufnäher, überreicht und ist damit als vollwertiger »Bruder« in die Hammerskin-Nation aufgenommen. Die Aufnahme der Vollmitglieder ist Sache der circa vierteljährlich an wechselnden Orten tagenden Delegierten-Versammlung der deutschen Hammerskin-Chapter, des »National Officers Meeting« (NOM) oder des europäischen Gremiums EOM.

Derzeit existieren zehn Chapter in Deutschland: Pommern, Bremen, Berlin, Bayern, Franken, Baden, Württemberg sowie die einflussreichen Chapter Westmark, Sachsen und Mecklenburg. Darüber hinaus gibt es einzelne Städte und Regionen, in denen sich kleinere Hammerskin-Gruppen formieren, die aber kein eigenes Chapter unterhalten, sondern dem nächstgelegenen Chapter angeschlossen sind. So zum Beispiel in Bochum, Hamburg oder im hessischen Fulda.

Etliche Mitglieder und PotN der Hammerskins spielen in Neonazibands oder betreiben neonazistische Versände und Labels. So zum Beispiel der Bielefelder Hammerskin Hendrik Stiewe, ein Mitglied der neonazistischen Burschenschaft Normannia-Nibelungen, der das Label Wewelsburg Records unterhält. Als Hammerskinbands gelten unter anderem Confident of Victory (Senftenberg), Deutsch Stolz Treue (Berlin), Rotte Charlotte (Nordrhein-Westfalen), Eternal Bleeding (Altenburg) und Blitzkrieg (Chem­nitz). Zur »Hammerskin-Nation« zäh­len weiterhin die Division Germania um den Hammerskin Andreas Koroschetz (Mönchen­gladbach), Hetzjagd aus Bremen um die Hammerkins Marc Gaitzsch und Sebastian Allwardt, sowie Jungsturm aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz um die Hammerskins Frank Molina und Nico Roth (»Wiesel«).

Dass es sich bei den Hammerskins um eine gewachsene Struktur handelt, zeigen allein die Jubiläen im Jahr 2012. Anfang Oktober feierte die Hammerskin-Nation ihr weltweit 25-jähriges Bestehen mit einem mehrtägigen Konzert in Boise im US-amerikanischen Bundesstaat Idaho, natürlich mit Beteiligung einer deutschen Reisegruppe. Im Jahr 2012 feierten die Hammerskins Mecklenburg ihr 15-jähriges Bestehen, während das älteste deutsche Chapter, die Hammerskins Berlin, bereits auf ihr 20-jähriges Bestehen zurückblicken kann.

Malte Redeker und die Hammerskins Westmark

Die Hammerskins Westmark aus dem Raum Ludwigshafen, Saarland und Südhessen sind die impulsgebende Struktur der deutschen Hammerskins.
Exponierte Vertreter dieses Chapters sind Frank Molina (Saarbrücken) und der Ludwigshafener Malte Redeker. Redeker ist eine Schlüsselfigur im internationalen Netzwerk. Er betreibt das führende deutsche Hammerskin-Unternehmen Gjallarhorn Klangschmiede und ist nach Informationen der Frankfurter Rundschau mittlerweile anscheinend zum Europa-Chef der Hammerskins aufgestiegen.4 Redeker zählt zu den Aktivisten des neonazistischen Aktionsbüros Rhein-Ne­ckar, dass seit 2003 die Vernetzung der südwestdeutschen Kameradschafts- und NPD-Strukturen betreibt. Die antifaschistische Zeitung LOTTA beschreibt Redeker in ihrer Ausgabe #49 als einen »Macher der Naziskinhead­szene. (...) Redeker zeichnet etwas aus, was dem Großteil seiner Szene fremd ist: soziale Kompetenz. Er bringt kraft seiner Autorität die Leute an einen Tisch, moderiert Konflikte und kümmert sich um die, die er väterlich ›seine Jungs‹ nennt.« Seit einiger Zeit bemüht sich Redeker, so LOTTA, in Ludwigshafen »eine Kneipe oder Diskothek zu pachten, um einen weiteren Treffpunkt für die Szene aufzubauen für Veranstaltungen, Konzerte und Kampfsporttrainings.«(sic)

Erst Ende 2011 geriet Redeker im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen das mutmaßliche Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in den polizeilichen und medialen Fokus. Er soll, so berichteten Medien, unter anderem Schießtraining deutscher Kameraden im Ausland organisiert haben.

Sven Krüger und die Hammerskins Mecklenburg

Das westliche Mecklenburg ist ein weiterer Kristallisationspunkt deutscher Hammerskins. Im abgelegenen Örtchen Jamel, wo Neonazis aus Kreisen der Hammerskins mehrere Häuser besitzen, und in Grevesmühlen, wo die Hammerskins seit 2010 ein »Thinghaus« unterhalten, bieten sich ihnen enorme Freiräume für Partys, Sommerfeste, Konzerte oder interne Treffen. Angeführt wird das Mecklenburger Chapter vom Schweriner Gunter B. und Sven Krüger (»Obst«) aus Jamel. Bereits im Jahr 2003 hatte die Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer bewaffnete Gruppe gegen eine ca. 20-köpfige Neonazigruppe ein­geleitet, die in einem Wald bei Jamel Wehrsportübungen durchgeführt hatte. Die Polizei stellte unter anderem Übungshandgranaten sicher. Unter den Teilnehmenden befanden sich Sven Krüger und Benjamin D., heute eine Führungsperson der Berliner Hammerskins.

Später war Sven Krüger Mitglied des NPD-Landesvorstands und als Kommunalpolitiker für die Partei im Kreistag tätig. Dass das Hammerskin-Thinghaus in Grevesmühlen die Bürgerbüros der NPD-Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs und des NPD-Landeschefs Stefan Köster beherbergte, macht die Nähe der NPD zu den Hammerskins in Mecklenburg Vorpommern offenkundig. Mittlerweile sitzt der Bauunternehmer Krüger wegen Hehlerei und illegalem Waffenbesitz in Haft. Er wird von seiner »Hammerskin-Bruderschaft« unter anderem durch den Verkauf einer Rechtsrock-Soli-CD unterstützt.

Thomas Gerlach und die Hammerskins Sachsen

Den Hammerskins Sachsen gilt ein besonderes Augenmerk. Schon in den 1990er Jahren machte sich das Chapter zum Protagonisten des Untergrundkampfes unter dem Label von Combat 18. Sprecher der sächsischen Hammerskins war zu dieser Zeit Mirko Hesse, der später als V-Mann des Verfassungsschutzes enttarnt werden sollte.

Während sich die Ermittlungen im UnterstützerInnen-Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) auf die Strukturen von Blood & Honour konzentrieren, gerät zu leicht aus dem Blick, dass mutmaßliche Helfer des untergetauchten Trios Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt dem Kreis der sächsischen Hammerskins offenkundig sehr nahe standen. So zum Beispiel Michael Probst aus Limbach-Oberfrohna und Andrè Eminger aus Zwickau.

Das heutige Chapter Sachsen wird angeführt von Thomas (»Ace«) Gerlach  (Meuselwitz), Maik Scheffler (Deli­tzsch), Stefan W. (Schkeuditz) und dem in Cottbus wohnenden Christian K.. Scheffler und Gerlach sind seit Jahren Multiaktivisten der Szene. Während Scheffler für die NPD ins Kommunalparlament einzog und zum Mitglied des Landesvorstandes in Sachsen aufstieg, war Gerlach »Organisationsleiter« des neonazistischen »Kampfbundes Deutscher Sozialisten« (KDS). Beide schufen 2007 das Freie Netz, das nach Vorbild des Aktionsbüros Rhein-Neckar die Aktivitäten regionaler Kameradschaften verknüpft. Zu dieser Zeit zogen Neonazis aus dem Kreis von Gerlach nach Zwickau und bauten dort die Kameradschaft Nationale Sozialisten Zwickau auf, der auch Andrè Eminger angehört haben soll. Im Jahr 2005 wurde ein neonazis­tisches Forum gehackt, in dem Thomas Gerlach mit dem Passwort »struck-mandy« eingeloggt war. Jene Mandy Struck, damals wohnhaft in Chemnitz, erbrachte über Jahre Unterstützungsleistungen für die untergetauchten Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos.

Kommen und Gehen

Tatsächlich: Das Bild der Hammerskins in der deutschen Neonaziszene hat sich gewandelt. Das früher recht abgeschottete und auf elitären Gestus bedachte Netzwerk ist erfahrbarer und zugänglicher geworden. Dadurch, dass Hammerskins mancherorts Personal und Rechtsrock-Unternehmen zerschla­gener Blood & Honour-Strukturen über­nahmen, bzw. dass Blood & Honour mancherorts keine Konkurrenz mehr stellt, ist das Netzwerk vor allem kommerziell gewachsen.

Die zuweilen engen Verbindungen zwischen Hammerskins und der NPD lassen sich nicht nur anhand der Personen Maik Scheffler und Sven Krüger nachvollziehen. Division Germania-Frontmann Andreas Koroschetz kandidierte zur Bundestagswahl im Wahlkreis Mönchengladbach für die NPD. Das Chapter Württemberg rekrutiert seit Jahren als Prospects vornehmlich  Personen aus dem Kreis der Kameradschaften und der Jungen Nationaldemokraten. In Hessen ist es Timo Neubert aus Michelstadt (Odenwaldkreis), der seit 2011 mit der Hammerskin-Symbolik auftritt und von 2009 bis 2012 im hessischen Landesvorstand der Jungen Nationaldemokraten saß. Dies wirft Fragen danach auf, welche Priorität die Zugehörigkeit zur »Hammerskin-Nation« für Einzelne hat: Sind es nun Hammerskins, die sich »nebenbei« bemühen, Strukturen der NPD und der JN zu vereinnahmen und dabei Interessen der Hammerskins verfolgen? Oder sind es Aktivisten von JN und Kameradschaften, die den Anschluss an die Hammerskins als persön­lichen Aufstieg in die »Elite«, in die Liga der »ganz Harten«, wahrnehmen, der Partei jedoch weiterhin verbunden sind? Das sich die Zugehörigkeit zur »Bruderschaft« der Hammerskins mit einem politischen Aktionsfeld in der NPD offenbar problemlos verbinden lässt, zeigt die Person Malte Redeker, welche seit vielen Jahren auf Demonstrationen und Kundgebungen der NPD zu finden ist.

Die Hammerskins sind integrations­fähiger geworden, verlieren darüber aber an Bindungskraft. Einige Member und PotN, die sich noch vor kurzer Zeit beispielsweise in ihren Facebook-Profilen mit der Hammerskin- oder Crew 38-Symbolik profilierten, haben die »Bruderschaft« offensichtlich wieder verlassen. Das mag damit zusammenhängen, dass einige den Anforderungen nicht gewachsen waren. Und auch damit, dass mancher enttäuscht festgestellt haben mag, dass die Aktivitäten vieler Chapter vornehmlich auf Musikkommerz ausgerichtet sind, der für die »Macher« umso einträglicher ist, wenn die Hangarounds und die PotN nach den Events unentgeltlich die Toiletten putzen.

Das internationale Netz

In Europa sind neben dem deutschen noch neun weitere Hammerskin-Chapter5 bekannt, ebenfalls neun bestehen in Übersee6 . Während die Hammerskins in Ungarn, Luxemburg und Schweden jeweils lediglich über eine Hand voll Leute verfügen, sind die Schweizer Hammerskins seit vielen Jahren eine führende Kraft der nationalen Neonaziszene. Auch die Chapter in Frankreich, Italien und Portugal haben sich etabliert und die Taktzahl ihrer Aktivitäten in den vergangen Jahren erhöht. Crew 38-Gruppen sind in mindestens zehn Ländern aktiv.7 Die osteuropäischen Länder stellen einen Sonderfall und wohl auch einen Streit­fall in der internationalen »Hammerskin-Nation« dar. So tritt eine russsische Neonazigruppe als Crew 38 Mos­kau und als Outlaw Hammerskins (OHS) auf, obgleich insbesondere die deutschen Hammerskins vor Jahren schon festlegten, dass es keine Hammerskin-Chapter in osteuropäischen Ländern geben dürfe, deren »slawische« Einwohner_innen als minderwertig erachtet werden. Ein zeitweise existierendes Chapter »Böhmen« musste wieder aufgelöst werden.

Der Hammerskin-Untergrund

Jenseits des Rechtsrock-Business, dass einige deutsche Hammerskins professionell betreiben, war die »Hammerskin-Nation« immer auch Sprachrohr und Kristallisationsort für bewaffneten Kampf und tödliche Gewalt: Schießübungen deutscher Hammerskins u.a. in der Schweiz und in den USA, Waffen, die schon in den 1990er Jahren über Hammerskin-Verbindungslinien von der Schweiz an deutsche Neonazis gelangten, die Wehr­sportgruppe um Sven Krüger in Mecklenburg, sowie die Nähe mutmaßlicher NSU-UnterstützerInnen zu Hammerskin-Kreisen sprechen eine deutliche Sprache.

Am 5. August 2012 stürmte der Neonazi Wade Michael Page in Oak Creek in Wisconsin (USA) einen Sikh-Tempel und erschoss in einem rassistischen Blutrausch sechs Menschen, bevor er von der Polizei getötet wurde.8 Der 40-jährige Page war Mitglied der US-amerikanischen Confederate Hammerskins (CHS). Gerade in der Schweiz und in Italien (s. S. 27) treten Hammerskins seit Jahren überaus gewalttätig auf.

Aus Kreisen der Dortmunder Band Oidoxie wurde 2011 über ein Gespräch berichtet, das deutsche Combat 18-Angehörige mit einer Führungsperson der Hammerskins Westmark geführt hatten. Vorausgegangen waren Machtkämpfe zwischen Combat 18-Anhängern und Hammerskins u.a. in der Schweiz, die zunehmend eskaliert waren und zu einem Hausverbot von Combat 18 auf Hammerskin-Events geführt hätten. In dem Treffen, so berichten die Neonazis, sei es gelungen die Spannungen abzubauen, das Verbot der Konzertbesuche aufzuheben und es sei eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Hammerskins und Combat 18 in Deutschland vereinbart worden.

Hammerskin-Nation und Verfassungsschutz

In den Berichten der Verfassungsschutz-Ämter werden die Hammerskins meist nur beiläufig erwähnt. Beispielsweise weiß das Bundesland Baden-Württemberg über »seine« Chap­ter Württemberg und Baden gar nichts zu berichten, obgleich vom Chapter Baden alljährlich Konzerte und Treffen organisiert werden.

Dabei dürften auch Strukturen der Hammerskins von Informanten der Verfassungsschutzbehörden mit aufgebaut worden sein. Zwei Fälle aus Sachsen wurden bereits bekannt: Der Gründer der Hammerskins Sachsen (SHS), Mirko Hesse, diente in den 1990er Jahren als Informant des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Als Mitglied der Crew 38 gab sich Thomas Richter aus Leipzig in den vergangenen Jahren gegenüber seinem Umfeld zu erkennen. Richter sorgte jüngst für Schlagzeilen, da er früher direkte Kontakte zum späteren NSU-Trio hatte. In dem Zusammenhang kaum noch erstaunlich: Auch Richter soll als Informant »Corelli« vom BfV geführt worden sein.

Das mag erklären, warum die Hammerskins seit Jahren an der langen Leine laufen. Dabei könnten sie schon längst Geschichte sein. Als im September 2000 das Netzwerk Blood & Honour in Deutschland verboten wurde, war ursprünglich geplant gewesen, zeitgleich die Hammerskins zu verbieten. Die Sicherheitsbehörden sträubten sich. Den Hammerskins mangele es an Relavanz, so ein Argument, und das Bundesamt für Verfassungsschutz sah sich außerstande, ein Verbot der Hammerskins in die Wege zu leiten.9

  • 1Als Eigentümer des Geländes wurde das Mitglied der RechtsRock Band "Aggressor" Robert Kiefer bekannt.
  • 2Mit den Bands »Bound for Glory« (USA), »Division Germania« (Mönchengladbach), »Brutal Attack« (England), »Frakass« (Lyon / Frankreich) und »Jungsturm« (Saarland).
  • 3Als Patch wird ein aufnähbares Hammerskin Emblem bezeichnet.
  • 4Europas Neonazis feiern sich selbst, Frankfurter Rundschau, 4.11.2012
  • 5In England, Frankreich, Spanien, Ungarn, Italien, Portugal, Schweiz, Schweden, Luxemburg
  • 6Acht Chapter existieren in den USA und eins in Australien.
  • 7In Brasilien, Kanada, Australien, Frankreich, Deutschland, Italien, Moskau, Portugal, Spanien, Schweiz
  • 8Vgl. AIB Nr. 96: »Soundtrack zum Rassenkrieg«
  • 9Vgl. http://gamma.noblogs.org/archives/1221, Carina Boos: »Schützt der Verfassungsschutz die Hammerskins?«