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Die AfD im Bundestag

Gerd Wiegel
Einleitung

Der 24. September 2017 markiert eine Zäsur für die gesamte radikale Rechte in der Bundesrepublik. Mit der AfD zieht eine Partei in nie dagewesener Stärke in den Bundestag ein, die zahlreiche inhaltliche und personelle Schnittmengen zu den verschiedenen Schattierungen der radikalen Rechten hat und die ihre neue Rolle zur Stärkung eben dieser Rechten nutzen wird. Neben den medialen Geländegewinnen, mit denen die Themen der Rechten immer weiter Raum greifen und die politische Achse nach rechts verschoben wird, gibt es auch einen sehr direkten Mehrwert in Form der Partizipation an öffentlichen Finanzmitteln, die der Staat den Parteien und den im Bundestag vertretenen Fraktionen zugesteht. Wie ein schlechter Witz wirkt es da, dass der Bundesrat gegenwärtig den Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung durchsetzen will, was als letzter „Erfolg“ des gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens gilt und wofür extra das Grundgesetz geändert wurde.

Foto: Christian Ditsch

Unter dem Deckmantel der Demokratie

Im Vergleich zu den Geldströmen, die die AfD zu erwarten hat, waren die wenigen Millionen Euro für zwei Landtagsfraktionen der NPD und die immer um 1 Prozent schwankenden Bundestagswahlergebnisse der Partei tatsächlich Peanuts. Nimmt man allein den Bundestag, dann stehen der AfD gigantische finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung. Je nachdem, wieviel Geld die Fraktion für die Arbeitsebene ausgeben will, wird die AfD-­Fraktion zwischen 150 und 200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben, davon sicher mehr als die Hälfte wissenschaftliche Fraktionsreferenten und Referentinnen, die die inhaltliche Arbeit der Fraktion entscheidend prägen werden. Hinzu kommen noch einmal zwischen vier und sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Abgeordneten, was, konservativ gerechnet, einen Stab von ca. 600 Beschäftigten ausmacht. Die finanziellen Zuwendungen, von denen die AfD neben diesem Stab vor allem ihre Öffentlichkeitsarbeit bezahlen wird, dürften sich, ebenfalls konservativ gerechnet, pro Jahr auf deutlich mehr als 12 Millionen Euro belaufen. Nicht enthalten sind hier die Abgeordnetenpauschalen, mit denen jede/r MdB seine/ihre Arbeit in Berlin und im Wahlkreis finanziert. Die Rede ist hier nur von der Bundestagsfraktion der AfD. Rechnet man die Mittel, die über die Landtage in die politische Arbeit der AfD fließen und die über die Parteienfinanzierung geregelte Unterstützung für die Gesamtpartei hinzu, dann bekommt man erst einen Eindruck, welchen Effekt der Aufstieg der AfD für die radikale Rechte in Deutschland hat. Von bis zu 400 Millionen Euro bis 2021 schreibt die Rheinische Post1 und rechnet alle zu erwartenden Einnahmen der Landtags- und Bundestagsfraktion und der einzelnen Abgeordneten zusammen.

Für das Umfeld der Partei, für die ideologischen Zuträger aus Burschenschaften, Neuer Rechter und rechten Kleinparteien bedeutet das die Möglichkeit der politischen Professionalisierung, womit rechte Politik jetzt auch zur Finanzierung des Lebensunterhalts möglich wird. Ganz in diesem Sinne schrieb Götz Kubitschek noch am Abend des 24. September auf der Seite der „Sezession“: „Auch für uns bricht eine andere Zeit an: erneut Resonanzraumerweiterung; berufliche Auffangnetze für manchen, der sich vorwagte und keine der 200 Genderprofessuren abgreifen konnte — dafür jetzt aber den Posten eines Beraters, eines Büroleiters, eines wissenschaftlichen Mitarbeiters angeboten bekommt. Man wird Texter, Computerspezialisten, Filmleute, Sicherheitspersonal, Experten benötigen, es wird sehr viele sehr gut bezahlte Stellen geben, und mancher wird sein Leben als Lehrstuhlhure mit prekärem Vier-Jahres-Vertrag aufgeben und in gesittete geistige Verhältnisse wechseln können.“2 Die AfD als Jobmotor für Teile der radikalen Rechten, das ist die leider realistische Aussicht.

Bis heute ist unklar, wie sich die Bundestagsfraktion inhaltlich aufstellen, ob und in welchem Maße die völkische Rechte die politische Agenda der Fraktion beeinflussen oder gar dominieren wird. Gegenwärtig befindet sich die Fraktion im Aufbau, was sicherlich noch eine ganze Zeit andauern wird. Unter anderem von der Frage, wie weit sich die AfD auf eine parlamentarische Professionalisierung einlassen will, hängt es ab, welches Personal sie einstellen wird. Als völkische Bewegungspartei im Sinne Höckes kann sie mit den ideologischen Sprechblasenproduzenten aus dem Umfeld von "Junge Freiheit", "Sezession", Burschenschaften und anderen gut leben. Für eine qualifizierte inhaltliche Arbeit braucht sie jedoch Menschen, die bei Themen wie Steuern, Renten, Pflege oder Landwirtschaft wissen, wovon sie sprechen und Fachleute jenseits politischer Bekennt­nisse sind. Die Zusammensetzung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird also auch einen Hinweis auf die inhaltliche Ausrichtung der Fraktion geben.

Ausstrahlung der Fraktion

Ohne Zweifel wird die Ausstrahlung der AfD auf rechte Intellektuelle höher werden und die Bekenntnisfreude mit ihr. Die Partei hat Posten und Ressourcen zu verteilen, das weckt Begehrlichkeiten. Die AfD will in Kürze eine der verschiedenen in ihrem Umfeld gegründeten Erasmus-Stiftungen als parteinahe Stiftung anerkennen, mit der die Partei, so wie die anderen Bundestagsparteien, an staatliche Fördergelder käme. Die Böll-Stiftung der Grünen und die Rosa-Luxemburg-Stiftung der LINKEN bekommen zwischen 11 und 12 Millionen Euro jährlich, eine Summe, die perspektivisch auch eine AfD-nahe Stiftung beanspruchen könnte. Allerdings werden parteinahe Stiftungen nur bei einer dauerhaften Verankerung der politischen Richtung für die sie stehen gefördert, was so interpretiert wird, dass es erst nach einem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag Geld gäbe. Grünen und LINKEN wurde die Förderung mit diesem Hinweis über viele Jahre verwehrt jedoch kann man sicher davon ausgehen, dass die AfD dagegen klagen wird. In einzelnen Bundesländern sind die Regelungen anders, so dass die AfD hier auf jeden Fall schon Zugriff hat.

Förderung von Nachwuchswissenschaft­lern und Wissenschaftlerinnen, Publikations­möglichkeiten, Anziehungspunkt für Rechtsintellektuelle, Bildungsangebote von rechts im Bund und in den Ländern, Auslandsbüros, Konferenzen, Tagungen — im Vergleich mit den Möglichkeiten einer rechten Parteistiftung nimmt sich das Institut für Staatspolitik (IfS) wie die Filiale einer dörflichen Volkshochschule aus.

Schließlich stehen der AfD mit dem Einzug in den Bundestag (so wie schon früher in den Ländern) Beiratsposten und Kuratorienplätze in zahlreichen über den Bund finanzierten Einrichtungen zu. Dass der sich selbst als „kleiner Höcke“ bezeichnende sächsische Richter und jetzige MdB Jens Maier, der in der NPD die einzige Partei sieht, „die immer zu Deutschland gestanden“ habe und der mit Blick auf die NS-Erinnerung den „Schuldkult“ beenden will3 , jetzt im Beirat des "Bündnis für Demokratie und Toleranz" sitzt, ist ein Schlag ins Gesicht der Zivilgesellschaft. Das politisch sicher sehr behäbige Bündnis zeichnet seit 2000 vor allem bürgerschaftliche Initiativen aus, die sich gegen Rassismus und die extreme Rechte engagieren. Maier an dieser Stelle zu platzieren, kann nur als bewusste Provokation durch die AfD verstanden werden. Aber auch im Kuratorium der „Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ) und in der "Bundeszentrale für politische Bildung" wird die AfD vertreten sein und über die inhaltliche Ausrichtung dieser Einrichtungen zumindest mitentscheiden.

Aus verschiedenen Bundesländern wird berichtet, dass AfD-Vertreter aus Beiräten der Landeszentralen für politische Bildung gerne bei Veranstaltungen zur extremen Rechten anwesend sind. Weniger aus Wissbegierde sondern, um darüber zu wachen, dass die AfD nicht zum Thema in solchen Veranstaltungen wird bzw. sie anschließend zu Themen Kleiner Anfragen zu machen. Dieser Form der Einschüchterung und Einflussnahme müssen alle demokratischen Parteien und die Zivilgesellschaft schnell und entschieden begegnen. Es darf kein thematisches Zurückweichen gegenüber der AfD geben. Die zivilgesellschaftliche Infrastruktur gegen die radikale Rechte, wie sie über die letzten 15 Jahre gewachsen ist, muss sich genau jetzt beweisen, wo ihr die Feinde von Demokratie und Vielfalt im Mantel der Demokratie gegenübertreten. Aufgabe der Antifa ist es, diesen Mantel als das zu entlarven was er ist — ein Deckmantel.