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Antifa heißt (auch) Feminismus!

Einleitung

Interview mit den Herausgeber_innen des Buches »FANTIFA – Feministische Perspektiven antifaschistischer Politiken«

Stellt euch doch kurz einmal vor.

Unser Herausgeber_innenkollektiv besteht aus fünf Menschen: zwei Männern und drei Frauen aus Sachsen, Bremen, Berlin und NRW mit verschiedenen politischen Schwerpunkten. Die einen bewegen sich hauptsächlich in antifaschistischen Zusammenhängen, die anderen überwiegend in feministischen oder antirassistischen; die einen arbeiten eher aktionistisch, die anderen eher publizis­tisch. Uns alle eint aber das Wissen um die Notwendigkeit antifaschistischer Arbeit sowie einer antisexistischen Perspektive -  und die Idee, dazu ein Buch zu veröffentlichen.

Wie kommt es denn dazu, dass ihr euch als gemischtgeschlechtlicher Zusammenhang der Fantifa widmet?

Tatsächlich haben wir uns auch gefragt, ob es eventuell irritierend wirken könnte, wenn wir uns so einem Thema, das sich hauptsächlich mit feministischer autonomer Organisierung beschäftigt, in dieser Konstellation widmen. Wir denken aber, dass Diskussionen um Geschlechterverhältnisse, dass Antisexismus nicht allein Sache derer sein kann, die benachteiligt werden. Wir sind der Ansicht, dass herrschende Geschlechterverhältnisse letztlich nur gemeinsam abgeschafft werden können und sind gleichzeitig der Auffassung, dass gerade männliche Interventionen viel zu selten sind. Wir denken, dass feministische »Separation« ebenso sinnvoll ist wie geschlechterübergreifende Debatten und Auseinandersetzungen. Darum gilt es auch männliche antisexistische Pers­pektiven zu thematisieren. Deswegen haben wir uns entschlossen, diesen Perspektiven nicht nur ein Kapitel zu widmen, sondern das Buch gemeinsam herauszugeben.

War das für euch die alleinige Motivation oder gab es noch andere Gründe, die zu diesem Projekt geführt haben?

Nein, das war nicht unsere alleinige Motivation. Mit dem Buch verfolgen wir zwei zentrale Stränge. Zum einen ist es uns wichtig, die »eigene« antifaschistische Geschichtsschreibung zu erweitern. Es gibt einige Bücher über die Entstehung und Praxis der autonomen Bewegung. Unter AA/BO können sich viele noch etwas vorstellen und auch über andere Organisierungsansätze lassen sich heute noch viele Texte nachlesen und unter anderem daran die Entstehung und Weiterentwicklung der Antifa-Szene nachvollziehen. Im Zusammenhang mit unseren Debatten über antisexistische Perspektiven in der Antifa sind wir dann auf viele »Leerstellen« gestoßen. Manche von uns erinnerten sich noch an aktive Fantifa-Gruppen aus den 1990er Jahren und wir waren uns schnell einig, dass diesen Gruppen, auch in neueren Publikationen, wenig bis gar keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das wollten wir mit unserem Projekt ändern. Uns war und ist es dabei wichtig, diese »Leerstelle« antifaschistischer Geschichtsschreibung dabei nicht von außen zu bewerten und Recherchen vorzustellen, sondern gerade die in dieser Szene ehemals oder noch Aktiven selbst zu Wort kommen zu lassen. Das haben wir mit einer Vielzahl an Interviews mit Gruppen bzw. Einzelpersonen aus vielen Regionen der BRD, aber auch mit Aktivist_innen aus Österreich und der Schweiz, umsetzen können. Ergänzt werden diese Einschätzungen durch einige Originaldokumente wie Flugblätter und einer Auswahl an Texten. Natürlich ist unsere Auswahl dabei nicht allumfassend. Wir denken aber schon, dass sie die Möglichkeit bietet, einen Einblick in damals und zu einem großen Anteil auch heute wichtige Debatten zu erhalten. Für heutige Debatten erscheint uns das sehr wichtig, weil wir – nicht erst in unseren Recherchen – den Eindruck gewannen, dass vieles an der damals formulierten Kritik immer noch Berechtigung hat und noch lange nicht umgesetzt wurde. Den von Fantifa-Gruppen formulierten Anspruch, Feminismus und Antifaschismus gemeinsam zu denken und daraus eine antisexistische Praxis zu entwickeln, wollen wir mit unserem Buch auch in die jetzt aktive Szene tragen.  

Was waren denn die Motive zur Gründung von Fantifa-Gruppen und welche inhaltlichen Schwerpunkte wurden in der Arbeit gesetzt?

Die Motive selbst sind von der inhaltlichen Schwerpunktsetzung vieler Fantifa-Gruppen nicht zu trennen bzw. ergeben sich aus diesen. Feministische oder Frauen-Antifa-Gruppen setzten sich auf zwei Ebenen mit Feminismus auseinander. Zum Einen wurde innerhalb von Antifa-Strukturen die Kritik von Frauen an patriarchalem Redeverhalten, Sexismus, Machoverhalten, selbstbezogener Militanz und mangelnder Reflexion der Männer lauter. Zum Anderen wurden vermehrt auch Frauen als (Mit-)Täterinnen im NS und in der gegenwärtigen extremen Rechten in den Fokus gerückt. Gleichzeitig wurde der Blick aber auch auf andere Themen gerichtet und Fantifa-Gruppen verhielten sich bzw. entwickelten Analysen zu Gen- und Reproduktionstechnologien, der Situation von Frauen im Trikont und zu Rassismus. Es ging also auch um die Schnittstellen von verschiedenen Unterdrückungsverhältnissen und um konkrete Unterstützung von (regionalen) Frauenkämpfen, z.B. Aktivitäten für von Schließung betroffener Frauenhäuser. Diese Auseinandersetzungen innerhalb feministischer Zusammenhänge fanden ihren Ausdruck auch auf der Straße und in der Suche nach eigenständigen Organi­sationsansätzen. Bereits 1985 versuchten Aktivistinnen in Norddeutsch­land ein eigenes Frauen Antifa-Treffen einzurichten. Doch erst Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre gründeten sich in mehreren Städten Frauen-Antifa- oder feministische Antifa-Gruppen, die sich auch bundesweit vernetzten. So fanden zwischen 1990 und 1999 mehr als ein Dutzend bundesweiter Treffen statt und zeitweise existierten, wie im Jahr 1993, bundesweit 25 Gruppen. In dieser Zeit gab es dementsprechend auch auf Antifa-Demos immer häufiger Frauenblöcke oder es wurden gleich eigenständige antifaschistische Frauendemos und -kongresse organisiert.

Feministische Antifa-Gruppen gibt es auch weiterhin. Welche Unterschiede seht ihr zwischen der Fantifa-Bewegung der 1980er/90er Jahre und der heutigen?

Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass auch die Fantifa-Bewegung der 1980er/90er Jahre kein abgeschlossenes Projekt war. Speziell in dieser Zeit ist aber wohl die Tatsache, dass über eine bundesweite Vernetzung ein gemeinsamer Ausdruck aller Gruppen gefunden werden konnte. Selbstverständlich gab es jedoch auch innerhalb dessen, je nach regionaler bzw. inhaltlicher Schwerpunktsetzung, unterschiedlichste Aktionsräume. D.h., dass manche einen aktionistischen Schwerpunkt hatten, während andere vorwiegend inhaltliche Auseinandersetzungen geführt haben. Insofern beleuchten wir in unserem Buch auch einige Entwicklungen von Akteurinnen aus der Fantifa-Bewegung. Ein heute noch aktives Beispiel dafür wäre wohl das »Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus«. Hier wurden spezifische Inhalte der Fantifa-Bewegung aufgegriffen, z.B. die Sichtbarmachung extrem rechter Funktions-trägerinnen. Aber auch ein Feminismusverständnis, das Frauen nicht ausschließlich als ›Unterdrückte‹ sondern ebenso als aktiv und verantwortlich Handelnde wahrnahm und diese in Beziehung gesetzt hat zum Spannungsfeld und dem Zusammenspiel unterschiedlicher Dominanzverhältnisse wie Androzentrismus/Sexismus, Rassismen und Nationalismus. Somit konnten Diskussionen aus der Fantifa-Bewegung theoretisch bzw. wissenschaftlich eingeordnet und auch auf anderer Ebene verfestigt werden.

Bezogen auf den gemeinsamen Ausdruck einer Bewegung finden aktuelle feministische Antifa-Gruppen hier tatsächlich sehr veränderte Bedingungen vor. Das Auseinanderdriften unterschiedlicher politischer Positionen fand einen Niederschlag auch in immer weiter ausdifferenzierten Organisierungsansätzen, was einen gemeinsamen Ausdruck über den »eigenen Kreis« hinaus nur noch schwerlich realisieren lässt. Ebenso änderten sich mit dem Einzug queerer Theorien in feministische Diskussionen auch die Debatten in linksradikalen Zusammenhängen. Unter den Voraussetzungen des Konstruktionscharakters von Geschlecht wurde in Frage gestellt, ob sich Feminismus, wie überwiegend auch die Fantifa-Bewegung der 1980er/90er Jahre, weiterhin positiv auf die Kategorie Frau beziehen kann, weil diese dadurch erst geschlechtlich festgeschrieben wird. Diese Unterscheidung ist zweifellos erst einmal nur eine analytische und beschreibt allenfalls Tendenzen. Denn vielerorts gab und gibt es Versuche, Heteronormativismus und Zweigeschlechtlichkeit zurückzuweisen und gleichsam patriarchale Strukturen anzugreifen. Dennoch bewegen sich heutige feministische Antifa-Gruppen viel eher in genau diesem Spannungsfeld und müssen sich innerhalb dessen verorten. 

Fantifa
Feministische Perspektiven antifaschistischer Politiken

Reihe Antifaschistische Politik [RAP], Band 5
Verlag Edition Assem­blage
ca. 200 Seiten,
ca. 12.80 EUR
ISBN 978-3-942885-30-0