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Der »Hofgeismarer Kreis«

Einleitung

Der »Hofgeismarer Kreis« entwickelt sich zum Sammelpunkt für Jungsozialisten der SPD in „nationalrevolutionärer“ Tradition.

Bild: Faksimile aus "DER SPIEGEL" Nr. 9/1994

Im April 1992 gaben die Leipziger Jusos (Jugendorganisation der SPD-Mitglieder) um Sascha Jung einen Aufruf zur Gründung eines »Vereins zur Förderung des nationalen Gedankens und der Solidarität in der deutschen Jugend« aus. Am 11. April wird der Aufruf in die Tat umgesetzt und heraus kommt der »Hofgeismarer Kreis«, gegründet auf dem Schloss Windischleuba in Thüringen. Führend dabei Jung, der von den ehemaligen SDS-Aktivisten Tilman Fichter (Referent für Schulung und Bildung im SPD-Bundesvorstand) und Bernd Rabehl unterstützt wurde. In der rechten Zeitung »Jungen Freiheit« findet sich unter den Anzeigen eine Annonce des "Hofgeismarer Kreises". Dort suchen sie Kontakte zu national und sozialdemokratisch gesinnten Leuten in ganz Deutschland. Zu melden bei Harald Heinze aus Leipzig. Die Leipziger Jusos Dirk Larisch, Sascha Jung und Heiko Oßwald geben einen "Politischen Rundbrief" des »Hofgeismarer Kreis« heraus. Leipziger Antifas berichten über Kontakte von dem »Hofgeismarer Kreis« zur "Burschenschaft Wartburg Köln-Germania Leipzig". Auch der rechte Autor Wolfgang Traxel soll demnach zu ihrem Netzwerk in Leipzig gehören. Der Geschäftsmann Traxel soll (früher) u.a. in den rechten Strukturen des "Ring Freiheitlicher Studenten", des "Leipziger Altherrenverband", der "Vereinigung Alter Burschenschaften Leipzig" und im "Bund Deutscher Unitarier – Religionsgemeinschaft europäischen Geistes e.V." aufgefallen sein.

Ultra-Nationales von links

Ideologisch orientieren sich die »Hofgeismarer« um Jung am historischen »Hofgeismarer Kreis«, der sich Ostern 1923 als rechte Abspaltung zu dem marxistisch orientierten »Hannoveraner Kreis« der Jungsozialisten entwickelte. Ihre Vorbilder und Vordenker sind Hermann Heller, Hendrik de Man und Ernst Niekisch. (Zu Niekisch siehe Antifaschistisches Infoblatt Nr. 23).

Staub aufgewirbelt haben erstmals Äußerungen von Leipziger Jusos im MDR-Magazin »fakt« vom 16. September 1992. Jung „verteidigt“ hier das rassistische Rostocker Pogrom mit der Aussage »Wir sind allerdings auch so realitätsnah, daß es eine Illusion ist, anzunehmen, wir allein könnten die gesamten sozialen Probleme dieser Welt lösen«. Dass die BRD durch ihre Weltwirtschaftspolitik die sozialen Problemen der Welt forciert, kehrt er lapidar unter den Tisch. Jung, der sich verstärkt um „Solidarität mit der deutschen Volksgemeinschaft” bemühen will, erklärte im September 1992: „Der Mensch ist ein soziales Wesen (...). Das heißt, daß er ohne seine (...) Familie, Volk, Völkergemeinschaft, die (...) ihm Identität geben, nicht existieren kann.“

Es wundert einen aber nicht, wenn man sich mal anschaut,was die „Hofgeismarer“ 1993 so propagieren. Obenan steht die „Entkriminalisierung der deutschen Geschichte“, sprich eine Art Revisionismus, der die Verbrechen der Nazi-Politik zu relativieren versucht. Zitat: »Die Deutschen, und allen voran die Politiker, müssen sich von den sinnlosen Schuldkomplexen, der tiefen Nationaldepression lösen. Es muß Schluß sein mit der Komprimierung tausendjähriger Geschichte auf zwölf Jahre«.

Die rechte Zeitung »Junge Freiheit« (JF) feiert den SPD-Nachwuchs unter dem Titel »Wenn Genossen die Nationalhymne singen« (JF 3/1993) als »rührige junge Leute«, die Begriffe wie »Nation« und »Volk« wieder positiv zu besetzen versuchen (alias Kurt Schuhmacher) und die auch keine Probleme haben, das ganze Deutschlandlied abzusingen.

Weiter sind die »Hofgeismarer Jusos« natürlich auch gegen eine - wie sie es nennen - »multichaotische europäische Ellenbogengesellschaft«, da Deutschland laut eines Flugblattes von ihnen »seiner Natur nach kein Einwanderungsland sein kann«.

FES Unterstützung ?

Hofiert wird dieser (extrem) nationalistische Juso-Kreis auch von der SPD-nahen „Friedrich-Ebert-Stiftung“ (FES). Hierzu gab es schon ein Seminar, das Mitte Juli im sächsischen Rochlitz durchgeführt wurde. Träger waren die FES und der »Hofgeismarer Kreis« der Leipziger Jusos um Sascha Jung. Diskutiert und referiert wurden dort über »nationale Gedanken in Deutschland und in der Sozialdemokratie«. Mitzubringen waren festes Schuhwerk und das Liederbuch der Leipziger Jusos. Dort wurde deutlich, daß sie außer dem ganzen»Deutschlandlied« auch noch andere z.T. chauvinistische, patriarchale, rassistische und kriegsverherrlichende Lieder wie »Heil dir im Siegerkranz«, »O alte Burschenherrlichkeit«, das »Vaterlandslied« oder »Zehn kleine Negerlein« singen wollen und können.

Deutschnationale Jusos auch im Westen

Derzeit werben diese »Jusos« im SPD-Bezirk Mittelrhein Sympathisanten per Brief. Wer Interesse habe und »Solidarität mit der deutschen Volksgemeinschaft« empfinde, »das Recht auf Selbstbestimmung auch den deutschen Volke« zugesteht kann sich bei Bernhard Knappstein in Köln melden.Dort kann man dann an einen konspirativen Stammtisch eine lose Interessengemeinschaft schaffen, bis sich genügend Interessenten für eine Gründung eines »Hofgeismarer Kreis« Rheinland gemeldet haben. Verabschiedet wird sich in dem Brief mit dem »deutschen Handschlag«. Knappstein ist Mitglied in der rechten Burschenschaft »Germania« in deren Haus er in Köln auch wohnt.

Mit einer Chiffre-Anzeige in der JF wurden in »Köln/Bonn: Junge patriotische SPDler zur Gründung einer nationalen Juso-Gruppe (Hofgeismarer Kreis) gesucht. Infos über Chiffre«. Hinter der Chiffre Anzeige verbirgt sich niemand anders als Bernhard Knappstein, Vorsitzender der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“. Bernhard Knappstein soll sich als SPDler ausgeben, obwohl die Kölner SPD ihn (noch) nicht in ihre Reihen aufgenommen habe.

In Berlin soll Christian B. und in Bayern Erwin B. den Aufbau von Strukturen des "Hofgeismarer Kreis" vorantreiben.

In Kassel wurde 1993 ein Verein "Hofgeismarer Kreis e.V." eingetragen. Die GründerInnen um Harald G. (Hofgeismar), Heike B. (Hofgeismar), Ralf P. (Immenhausen) und Arnd E. (Vellmer) sollen zwar aus den Kreisen der lokalen Sozialdemokratie stammen, doch ob der Verein auch politisch an den hier beschriebenen Akteuren orientiert ist bleibt bis her offen.

Suche nach Abgrenzung

Der SPD-Bundesvorstand verhält sich gegenüber seinen deutsch-nationalistischen Sprößlingen noch sehr verhalten. Ein Parteiausschluß wurde bisher abgelehnt. Die einzigen, die sich jetzt zu einer Initiative durchringen konnten, sind die Ortsverbände in Aachen. Sie haben ein Parteiordnungsverfahren gegen führende Mitglieder des »Hofgeismarer Kreis« beantragt. Aus der SPD ausgeschlossen werden sollen nach Beschlüssen die »Hofgeismarer« Sascha Jung (Leipziger Juso-Vorsitzender), Heiko Oßwald (Schatzmeister), Harald Heinze (Leipziger Kontaktstelle), sowie beiden stellvertretenden Vorsitzenden Markus Glaubbig und Daniel Senf. Das angestrebte Parteiausschlußverfahren attestiert ihnen eine „im Kern mit den SPD-Grundsätzen zu vereinbarende Grundeinstellung“ und verhängt lediglich für Sascha Jung und Harald Heinz ein einjähriges Funktionsverbot.