Skip to main content

Geld aus Ungarn für rechte Medienprojekte

Einleitung

„Es ist nationalkonservative Frühlingszeit in Europa“: Dieter Stein, Chefredakteur der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“, war gerade von der „Conservative Political Action Conference (CPAC) Hungary" heimgekehrt, auf der sich rund 600 Rechte aus Europa und Nordamerika ausgetauscht hatten, als er Mitte 2023 angeregt einen Überblick über die Lage der Rechten in Europa schrieb. Überall seien Parteien der „populistischen Rechten“ im Aufwind, freute er sich – von Italien, wo sie mit Giorgia Meloni inzwischen die Ministerpräsidentin stellten, bis nach Skandinavien, wo es den „Schwedendemokraten“ gelungen sei, den cordon sanitaire zu durchbrechen, mit dem das politische Establishment sie zuvor ausgegrenzt hatte. Zwar gebe es auch eine Menge Streitigkeiten zwischen den rechten Kräften in Europa, räumte Stein ein; doch sei ein dynamischer Aufschwung unübersehbar. 

Fantino
(Foto: Screenshot/YouTube/@InstJuandeMariana)

Alvino-Mario Fantini, Chefredakteur des „European Conservative“.

Eine der tragenden Säulen sei Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der einzige führende Politiker der Christdemokratie in Europa, der die Linke und ihre „Kulturkriege“ offen herausfordere. Stein war des Lobes voll: „Er scheut vor Angriffen auf den Feind nicht zurück.“

„The European Conservative“

Steins Bericht erschien in der Sommerausgabe der Zeitschrift „The European Conservative“, die in Budapest herausgegeben wird und viermal im Jahr in englischer Sprache erscheint. Offizieller Herausgeber ist eine gleichnamige Nonprofit-Gesellschaft, die dazu mit drei weiteren Rechtsaußen-Organisationen kooperiert – mit CEDI/EDIC aus Wien, „Nazione Futura“ aus Rom und der „Bibliothek des Konservatismus“ aus Berlin. Letztere, getragen von der „Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung“ (FKBF) unter Steins Vorsitz, ist im Editorial Board des „European Conservative“ mit ihrem Bibliotheksleiter Wolfgang Fenske vertreten.

Einen guten Querschnitt über die Inhalte, denen man in dem Blatt begegnet, gab die
Nr. 27, die Sommerausgabe 2023, die auch Steins Überblick über die Lage der Rechten in Europa enthielt. Darin fanden sich neben nationalkonservativen Beiträgen auch Interviews mit dem extrem rechten Niederländer Thierry Baudet („Forum voor Democratie“) und dem portugiesischen Parlamentsabgeordneten Diogo Pacheco de Amorim von der extrem rechten Partei „Chega“. Im Januar 2024 veröffentlichte „The European Conservative“ ein Interview mit dem Landesvorsitzenden der CDU in Thüringen, Mario Voigt.

Finanziert wird „The European Conservative“, dessen stolzer Preis – satte 24,99 Euro pro aufwendig bebildertem Heft – ein hochelitäres Publikum sicherstellen soll, nicht nur durch Einnahmen aus dem Verkauf. Wie man dank Recherchen ungarischer Medien weiß, über die im September 2023 die Nachrichtenplattform „Euronews“ berichtete, erhielt die „European
Conservative Nonprofit Ltd“. kurz nach ihrer Gründung im November 2021 eine Summe von 1,65 Milliarden Forint – rund 4,3 Millionen Euro – aus den gut gefüllten Töpfen der „Batthyány Lajos Foundation“ (BLA). Diese wiederum gehört zum organisatorischen Altbestand des postkommunistischen Ungarns. Sie wurde bereits 1991 von dem damaligen Ministerpräsidenten József Antall gegründet, um mit Staatsmitteln angeblich spezifisch ungarische politische Ideen und Aktivitäten zu fördern. Benannt ist sie nach Graf Batthyány Lajos – im Ungarischen steht der Vorname gewöhnlich hinter dem Nachnamen –, der am 17. März 1848 zum ersten Ministerpräsidenten Ungarns ernannt wurde. Rund eineinhalb Jahre später, am 6. Oktober 1849, wurde er – gleichzeitig mit aufständischen ungarischen Militärs, den 13 Märtyrern von Arad – vom Habsburgerreich exekutiert.

Die BLA erhält bis heute hohe Summen aus staatlichen Kassen, die sie an politisch genehme Organisationen und Personen verteilen kann. Nach Angaben der ungarischen Onlineplattform „K-Monitor“ hat sie im Jahr 2022 umgerechnet rund 16,2 Millionen Euro aus dem Büro von Ministerpräsident Viktor Orbán erhalten; 2023 waren sogar umgerechnet knapp 24 Millionen Euro eingeplant. 

"The Hungarian Conservative“

Die BLA-Stiftung finanziert damit weitere Medien, so etwa  die Quartalszeitschrift „The Hungarian Conservative“, die laut Eigenangaben sogar von der BLA initiiert worden ist. Das Ziel, das „The Hungarian Conservative“ – ebenfalls in englischer Sprache – verfolgt: „Wir glauben, dass der politische Erfolg und die intellektuelle Renaissance des ungarischen Konservatismus in den vergangenen zehn Jahren reichlich Anlass bieten, unsere Gedanken und Erfahrungen sowohl mit unseren Freunden wie auch mit unseren intellektuellen Gegnern im Ausland zu teilen.“ Kein Wunder, dass es Überschneidungen zum „European Conservative“ gibt. Als zum Beispiel der „Hungarian Conservative“ Ende 2021 das Erscheinen seiner dritten Ausgabe feierte, wurde eine Diskussionsrunde von Alvino-Mario Fantini, dem Chefredakteur des „European Conservative“, moderiert. 

„Danube Institute“

Die Netzwerke sind engmaschig geknüpft. Der stellvertretende Chefredakteur des „Hungarian Conservative“ etwa, István Kiss, ist Executive Director des Budapester „Danube Institute“, eines Think-Tanks, der schon 2013 von der BLA gegründet wurde, um konservatives Gedankengut in Mitteleuropa sowie im Austausch mit anderen Staaten Europas und der englischsprachigen Welt zu verbreiten. Das „Danube Institute“ beansprucht einen „realistischen Atlantizismus“ für sich – eine Grundlage für gute Beziehungen zur US-Rechten, nicht zuletzt zu Anhängern von Donald Trump. Präsident des „Danube Institute“ ist John O’Sullivan, ein britischer Journalist, der von 1987 bis 1988 Reden für die damalige Premierministerin Margaret Thatcher schrieb, bevor er als Redakteur zur US-amerikanischen rechtskonservativ-libertären „National Review“ wechselte. O’Sullivan fungiert zugleich als Editor-at-Large beim „Hungarian Conservative“ und als Beiratsmitglied beim „European Conservative“. Längst wohnt er in Budapest, ebenso wie der US-Journalist Rod Dreher, der 2021 über das „Danube Institute“ in die ungarische Hauptstadt kam und als Autor des „Hungarian Conservative“ sowie des „European Conservative“ dort blieb. Dass Dreher zudem für die Zweimonatsschrift „American Conservative“ schreibt, rundet die Dinge ab.

Dreher rief im vergangenen Jahr öffentliche Aufmerksamkeit erst in den Vereinigten Staaten, dann in Ungarn hervor. Der Grund: Er hatte, wie das „Southern Poverty Law Center“ (SPLC) aus Montgomery (Alabama) herausfand, im ersten Halbjahr 2023 monatlich 8.750 US-Dollar vom „Danube Institute“ erhalten; das Geld kam von der BLA und damit faktisch indirekt vom ungarischen Staat. Zu den Leistungen, die Dreher dafür erbringen musste, gehörte es etwa, in US-Medien über seine Erfahrungen in Ungarn zu berichten, oder anders ausgedrückt: in den USA als Lobbyist für den ungarischen Staat aufzutreten. Genaugenommen betätigte sich Dreher damit, konstatierte das SPLC, nach US-Gesetzeslage als „ausländischer Agent“, der sich eigentlich in das entsprechende US-Lobbyregister eintragen lassen musste. Das hatte er freilich nicht getan. 

Dreher war damit nicht der einzige. So hatte der rechte US-Journalist Michael O’Shea einen Vertrag mit der BLA geschlossen, dem zufolge er jeden Monat zwei Artikel „speziell über ungarische Familienpolitik und ungarische Geopolitik“ für Medien aus den Vereinigten Staaten und aus Europa schreiben musste; dafür erhielt er 4.500 US-Dollar monatlich. Beispiele dieser Art gab es noch mehr. Eines von ihnen: der ultrarechte US-Aktivist Christopher F. Rufo. Rufo hielt sich im März und April 2023 sechs Wochen lang in Ungarn auf und erhielt dafür von der BLA satte 35.000 US-Dollar. Dafür sollte er unter anderem Vorträge halten und Artikel schreiben. In einem Text, den er verfasste, hieß es denn auch, Orbán habe „öffentliche und private Institutionen neu gestaltet, um eine konservative Gegenhegemonie zu schaffen“. 

„Heritage Foundation“ und „Center for Fundamental Rights“ 

Rufo war schon zuvor für konservative und rechte US-Think-Tanks tätig gewesen, unter anderem für die einflussreiche rechte „Heritage Foundation“, eine Partnerorganisation des „Danube Institute“. Diese wiederum hatte Anfang 2023 eine Vereinbarung über eine engere Kooperation mit dem „Hungarian Conservative“ geschlossen. Darin hatten beide Seiten vereinbart, künftig zu geopolitischen Themen enger zusammenzuarbeiten. Dass Mitarbeiter der „Heritage Foundation“ auch bei den CPAC Hungary 2022 und 2023 vertreten waren, versteht sich fast von selbst. Nebenbei: Finanziert wird „CPAC Hungary“ vom „Center for Fundamental Rights“ aus Budapest, das sich seit seiner Gründung im Jahr 2013 regelmäßig mit politischen sowie mit juristischen Fragen befasst. Das „Center for Fundamental Rights“ wiederum wird von der BLA finanziert. Damit schließt sich so mancher Kreis.