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Kindeswohl vs. Neonazismus

Einleitung

Schon kurz nach dem II. Weltkrieg wurden aus Kreisen ehemaliger "Hitler-Jugend"-Funktionäre neue Organisationen gegründet, in denen Kinder im Sinne des Nationalsozialismus oder eines völkischen Nationalismus erzogen werden sollten. Allen voran sind hier die 1952 gegründete und 1994 verbotene "Wiking Jugend" (WJ) zu nennen, aber auch der 1957 gegründete "Bund Heimattreuer Jugend" (BHJ).

Rezi-Wiege-Bahre

Als Untersuchungsgegenstand diente ihr die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ), welche nach dem Verbot der "Wiking Jugend" (WJ) die wichtigste Organisation des Neonazismus zur Erziehung von Kindern war, bis sie 2009 ebenfalls verboten wurde.

Es handelt sich hierbei um eine wissenschaftliche Arbeit, was den Vorteil mit sich bringt, dass die Autorin zu Beginn die wesentlichen Begriffe und Grundlagen ihrer Arbeit durchdekliniert. Dazu gehört, dass sie den Extremismusbegriff der Verfassungsschutzbehörden verwirft und folglich auf den des „Rechtsextremismus“ verzichtet. Arbeitsbegriff ist für den Untersuchungsgegenstand „völkisch-neonazistisch“.

Kurz werden die wichtigsten Entwicklungen in der Sozialen Arbeit in Bezug auf den Neonazismus dargestellt. Für die Arbeit zentral ist dabei der Begriff des „Kindeswohl“, welcher in der Sozialen Arbeit omnipräsent, in der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten jedoch kaum beachtet wurde, weder im Bezug auf die "Wiking Jugend", noch auf den "Bund Heimattreuer Jugend" (BHJ). Wie dargestellt lag dies auch an der Rechtlosigkeit von Kindern und  Jugendlichen, deren Rechte sich erst in Etappen entwickelten.

Folke zieht bezüglich der Kindeswohlgefährdung Sekten und weltanschauliche Gemeinschaften als Referenzgruppen heran und analysiert am Material der HDJ  welche pädagogischen Ziele hier vertreten werden und was das für Kinder bedeutet. Hierbei arbeitet sie den Zusammenhang von zentralen ideologischen Vorstellungen wie Volk, Lebenskampf und den vertretenen Feindbildern sowie deren pädagogischen Auswirkungen in der Erziehung heraus. Sie belegt, dass durch die Ideologie in der HDJ und deren pädagogische Umsetzung eine systematische Kindeswohlgefährdung vorliegt.   

Rebecca Folke hat mit ihrer Arbeit einen grundlegenden Beitrag zum Zusammenhang von Kindeswohlgefährdung und einer völkisch-neonazistischen Erziehung vorgelegt. Trotz des Verbots der HDJ 2009 ist diese Arbeit sehr wichtig, denn sie setzt den Referenzrahmen, um Organisationen oder auch Szenen, welche Kinder im Sinne des Nationalsozialismus erziehen wollen, zu analysieren. So nahmen beispielsweise an den Treffen der neonazistischen "Artgemeinschaft" bis zu 150 Kinder teil und auch die "Artgemeinschaft" selbst hat ein festes Erziehungskonzept, um Kinder und Jugendliche nach den Maßgaben des Nationalsozialismus zuzurichten.

Es ist dem Band zu wünschen, dass seine Impulse in der Pädagogik aufgenommen werden und die hier begonnene Diskussion z.B. auch auf die Kindererziehung in rechten Szenen, sei es jetzt bei AnhängerInnen der "Anastasia"-Bewegung oder des RechtsRock, übertragen und fortgeführt wird.

Rebecca Folke:

„Von der Wiege bis zur Bahre“ 

Kindeswohlgefährdung im 

völkisch-neonazistischen Spektrum 

ISBN: 978-3-89771-781-7

Edition DISS, Unrast Verlag, 

Münster 2023, 16 €.